Erfahrungen sammeln in der Beraterschwemme

Spielerberater: Ist eine sachliche Analyse möglich? Ja, aber Berater müssen besser kontrolliert werden!

Damit eines klar ist, vorweg: Dass der Grundton auf diesem Blog ein bisschen negativ gefärbt ist, hängt damit zusammen, dass einige Spieler, Eltern, und manchmal auch Trainer, sowie meine eigene Person, eben Erfahrungen sammelten, auf die man hätte gut verzichten können. Heute sage ich, diese Erfahrungen waren wichtig, um seine Lehren zu ziehen. Einige Akteure sind noch mittendrin, und wir hoffen, dass sie nicht von allzu negativen Erfahrungen „verzehrt“ werden. Wie sagte ein Vater neulich? „Man könnte die Lust am Fußballgeschäft verlieren…“, sein Sohnemann spielt in der U19 des VfB Stuttgart. Es gibt aber etliche Beispiele mehr. Und, manchmal war ich nur kurz beruhigt, zu sehen, dass es anderen Spielern wie Eltern schon ähnlich ergangen ist. Nie Schadenfreue, aber Bestätigung, dass das Fußballgeschäft, schon im Juniorenbereich, viel mit „Tackling“ und Ellbogeneinsatz zu tun hat. Muss das sein? Immerhin, man hört verstärkt auch Berater und Vermittler selbst klagen und seufzen, „Ach, jetzt buhlt und baggert der Berater (…) an meinem Schützling herum…“.

Keiner ist sich seiner Sache mehr wirklich sicher. Versprechungen verpuffen, weil andere Akteure plötzlich neue Märchen auftischen. Immer mehr gehen dabei leider auch in Familien Bodenhaftung und Authentizität verloren.

Viele Geschichten aus der Spielerberater-Branche stehen selbst in seriösen Medien, und beschreiben die Branche gut, wenn ein Vater, Andreas Hahn, im SPIEGEL (Nr.6/ 31.01.15) erzählt, wie Berater in Scharen um seinen Sohn, André (einst FC Augsburg, jetzt bei Borussia Mönchengladbach) buhlten. Manche Agenten, so der SPIEGEL, fuhren direkt bei Hahns Büro vor. „Einen tollen Jungen haben sie da, können wir ins Geschäft kommen?“ Und weiter erzählt André Hahns Pappa: „Da waren einige dabei, die wussten nicht, welcher Andrés starker Fuß ist“, konnten aber genau sagen, dass er eine Riesenkarriere vor sich hat. „Lächerlich“, schließt Andreas Hahn, der Vater. Ja, dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Diese Geschichten wiederholen sich oft.

Getrieben sind oft die Eltern, und die Junioren, die meinen, man müsse doch „einen Berater haben“, jeder habe doch einen(!). Welch Trugschluss, denn zuerst kommt die Leistung, und dann gegebenenfalls ein Berater, der den weiteren Weg ebnet. Auch ein Berater muss sich täglich beweisen – die meisten stehen unter Strom. Nur die ganz guten und seriösen bleiben relaxed, und stellen den Eltern eher die Frage: „Was können wir für Sie tun? Was sind die wahren Ziele, auch außerhalb des Fußballs?“, eben da, wo ein Berater weniger partizipiert und nur an sich denkt. Diese Gelassenheit legen (leider) die wenigsten Berater an den Tag. Viele schauen gleich in den U19-Bereich und kontaktieren nur die Spieler, denen wirklich der Sprung in den Profikader vorausgesagt wird – wenn, alles normal verläuft.

Im unteren Jahrgangsbereich wird es für die Berater auch nicht schwieriger, an Spieler und ambitionierten Eltern zu gelangen, denn, ein Berater zählt ja zum „Statussymbol“, wie Heribert Bruchhagen, Vorstandschef von Eintr. Frankfurt im SPIEGEL zitiert wird: „Früher fuhr man mit dem Mercedes zur Kirche, um die Leute zu beeindrucken, heute zeigt man den Spielerberater.“ Der impliziere ja immer, seht her, mein Junge ist wichtig, der kann es und wird bestimmt „einmal Profi“.

Wenn bereits 13-Jährige einen Berater haben, zeigt das, wie pervertiert die Branche bereits sei. Viele Profis unter den Beratern lassen aber auch die Finger von jungen Talenten, denn, hier müssten sie ggf. schon früher in „Vorauskasse“ treten – um an einer Karriere zu feilen, bedarf es oftmals finanzielle Ausgaben, die sonst sowieso bei den Eltern hängen bleiben.

Kaum einer weiß, wieviel es sich Eltern kosten lassen, ihre Talente zu Topclubs ziehen zu lassen, um dort drei- bis fünfmal die Woche zu trainieren. Nicht jeder Bundesligaverein, schon gar nicht Clubs der 2. Bundesliga und der 3. Liga, zahlen z. B. Fahrtgeld. Oder, auch Trainingsanzüge oder Ausgeh-und Freizeitbekleidung müssen von den Eltern selbst getragen werden. Da waren schon etliche Eltern schwer verwundert.

In Topclubs zu spielen, kostet im Juniorenbereich schon Geld. Es sei denn, der Juniorenspieler ist ein absolutes Ausnahmetalent, dann wird schon auch von Vereinsseite über finanzielle Zuwendungen nachgedacht, um Eltern wie Spieler zu entlasten.

Deshalb, im Juniorenbereich können meist auch Berater, die wichtig daherkommen, wenig ausrichten, denn die Vereine wollen sich auch nicht „erpressbar“ machen. Das Gerede und Getuschel in einem Club und innerhalb des Kaders kann für eine latente Unruhe sorgen, damit verbunden Unzufriedenheit, wenn herauskommt, dass ein Spieler (bei normaler Leistung) mehr Zuwendung erhält – in welcher Form auch immer – als andere. Internatsplätze sind begehrt, die Kosten für den Verein aber auch hoch, deshalb: Nur die Besten schaffen es tatsächlich ins Fußballinternat. (Gleich vier Jugendleiter und Koordinatoren rechneten mir einmal vor, die Kosten pro Jahr mit allen Faktoren, beliefen sich auf 25 bis 40 000 Euro)

Die Vereine müssen per se nicht alle Berater in einen Topf werfen, oder gar, wie bei einigen üblich, während der Trainingstage, „Platzsperre“ aussprechen, aber es gilt, dass die Vereine und ihre NLZ-Leiter (NLZ, Nachwuchsleistungszentrum), oder Nachwuchtskoordinatoren (bzw. Jugendleiter) einfach wachsam sind, und stets im Kontakt mit den Trainern stehen.

Veränderungen im Verhalten der Juniorenspieler machen sich oft bemerkbar, wenn plötzlich eine neue, dritte Person, neben der Familie, ständig um den Spieler anzutreffen ist.

Manche Veränderungen können auch positiv sein, wenn der Berater, in Einklang mit den Eltern, dem Spieler, sowie mit Schule und Club, für einen Schub in der Leistung des Spielers sorgt. (z. B. Übernahme der Fahrkosten bei weiten Fahrtstrecken zum Training, oder das Bezahlen von Extra-Ausgaben, wenn es sich die Familie in prekärer Lage nicht leisten kann, usw.)

Es gibt aber immer öfter Berichte, die zu mir dringen, dass Spieler plötzlich mit einem Berater total abheben, die „Bodenhaftung“ verlieren, und sich mit vielen anderen Dingen beschäftigen, nur nicht mit der Schule und der Mannschaft, sowie der eigenen Leistung. Klar, wenn der (neue) Berater meint, „Klar, Du bist der Allerbeste“, wir suchen Dir sonst einen besseren Verein, das glaubt dann auch ein U19-Spieler. Oft auch die Eltern. So manch ein Talent wurde dann tatsächlich kurzzeitig Profi – in Malta, auf Zypern oder in der zweiten rumänischen Liga. Verschwunden von der Bildfläche, weil Geduld nicht da war, der Berater aber, an einem Transfer, oder einer Vermittlung, ein paar Euro einstreichen konnte.

Berater gehören vorab einfach besser kontrolliert, oder „gecastet“. Genau diesen Dienst, Berater zu prüfen, in Gesprächen, sowie in einem Interview, biete ich Eltern und Spielern (bei Volljährigkeit) an.

Wo sind Widersprüche, was gibt die Vita, der Werdegang des Beraters her? Merke: Nicht allein der Spielerpool zählt, sondern, wieviel Seriosität ist dabei? Authentizität, die Echtheit und Glaubwürdigkeit sind das A und O in diesem Bereich des Fußballs.

Ein Grund, wachsam zu bleiben – eigene Werte nicht zu verraten – das gilt für den Spieler, die Eltern, aber auch für die Vereinsführung.

 

 

Veröffentlicht von

Giovanni Deriu

Jahrgang 1971, Vater, 2 Kinder, lebte lange Zeit in Asien; Dipl. Sozialpädagoge (FH) für Jugend- und Erwachsenenbildung, sowie Biographie-Arbeit. Außerdem: Industriekaufmann und gelernter Journalist. Schreibt regelmäßig für das RUND Magazin und FussballEuropa.com Fünf Jahre als Juniorentrainer tätig gewesen mit Jugendtrainer-Lizenz. In Hongkong die Junioren einer internationalen Soccer-Academy trainiert. Weiterhin als Scout (für Spiele und Spieler) unterwegs. Deriu analysiert für Spieler und Eltern die Spielerberater (und Agenturen), erstellt Profile und gibt Einschätzungen.

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