In den Niederungen des Fußballs: Aber gerade dort wird die Gesellschaft zusammen gehalten. Der Amateurfußball bis hinunter in die Kreisligen lebt von der Faszination allgemein. „Nimm Du ihn, ich hab ihn sicher“, heißt das neue Buch für Kicker wie Du und ich…

…oder, like Schweiß in the Sunshine…

Wochenende für Wochende steht König Fußball nicht nur bei den Profis und Fans im Mittelpunkt, sondern auch auf den Sportplätzen viel, viel weiter unten, ab der Verbandsliga abwärts. Diese Ligen leben zwar, jedoch mit all ihren Problemen, von denen es genügend gibt. Aber gerade sehr viele Amateur- und Freizeitkicker messen sich in den Landes-, Bezirks-, und Kreisligen. Sie bringen die Disziplin und Freude mit, stets unten gegen andere Kicker in echten Derbys, weil Nachbarschaftsduellen, anzutreten. Joël Grandke, Journalist und selbst ein Freizeitfußballer, ist mit „Nimm Du ihn, ich hab ihn sicher“ (erschienen im riva-Verlag) ein tolles und amüsantes Buch gelungen, wenn auch mit dem Tagebuch einer fiktiven Mannschaft – nämlich der des Clubs Vorwärts Benenbröök. So mancher Spieler oder Club wird sich vielleicht im Buch wiedererkennen. Grandke selbst lässt die Ereignisse in der Chronik durch den Schriftführer Karl-Heinz, genannt „Schorsch“, Havelkoop zusammenfassen. Man fragt sich immer wieder, was ist der Reiz in den Kreisligen? Die Liebe zum Fußball wohl, und der normale Wahnsinn…

Journalisten sitzen ansonsten auch viel im Job – da bewundert unsere Zunft dann schon den 26-jährigen Autor Joël Grandke dann insgeheim schon, dass er sich nach der Arbeit noch aufrafft, um mit seinen Freunden im Training zu bolzen. Und zwar beim TSV Otterdorf in der Kreisliga rund um Cuxhaven. Außerdem ist Grandke auch Blogger auf www.spox.com, und er schreibt über die Kreisliga, >>An jedem verdammten Sonntag…<<.

Ja, manch einer fragt sich aber auch, warum tun es sich diese Männer überhaupt (noch) an, in den Niederungen zu spielen, vor wenigen Zuschauern, meistens den Familienangehörigen, und sich auch noch viel auf die „Knochen hauen“ zu lassen (?). Es muss die Liebe zum Spiel sein. Oft sieht man die Spieler mit der Zigarette davor und danach, und das Pils mit den Freunden gehört fast schon dazu – auch nach dem Training.

Es muss auch bei Journalist und Student Grandke einfach die Liebe zum Fußball sein, und diese schlägt auch im gesamten Buch durch – wie sagt eine alte Kreisklassen-Weisheit? „Wer keinen Trick kann, fällt auch auf keinen rein.“

Interessant, dass aber klar von ganz Oben immer wieder moderne Bezeichnungen, auch Taktiken bis nach unten durchschlagen, wo jedoch die meisten Spieler einfach technisch „limitiert“ sind in ihren Fähigkeiten. Das Hauptaugenmerk, „liegt eigentlich darauf, dass der Spieler den Ball im modernen >One touch>-Stil mit nur einem Kontakt schnell wieder abgibt. Und zwar an den eigenen Mitspieler. (…) Bei den meisten Kicker ist das jedoch nur selten der Fall. Wissenschaftler simulieren die Ballannahme von Amateurfußballern häufig mit einem kraftvollen Flummi-Wurf auf eine besonders unebene Fläche.“

Der Kreisklassenverein Vorwärts Benenbröök kann überall im Bundesgebiet sein. Aktive Amateurkicker und Funktionäre sowie Trainer werden sich bestimmt in einigen (Spiel-)Szenen selbst erkennen. So heißt es dann auch im Buch, das beim riva-Verlag erschienen ist, „Eine überragende Typologie des Unterklassenfußballs – wo Sport alles sein kann, nur nicht langweilig.“ (ISBN 978-3-86883-933-3)

„Nimm Du ihn, ich hab ihn sicher – Bäuche, Bier und Blutgrätschen“, ist das ultimative Buch, wenn es darum geht, Fans wie Profispieler vielleicht auch an die Wurzeln des Fußballs zu erinnern. Wo Dorfvereine noch der Kitt einer Gesellschaft sein können. Als Treffpunkt nämlich und dennoch wie eine kleine Machtzentrale und Info-Börse zugleich.

Ob es das Kapitel wie „Die Jahreshauptversammlung“ ist, oder ab Seite 29 die „Kaderplanung“ für die neue Saison mit dem typischen und immer wiederholten Satz: „Der Star ist die Mannschaft“, sowie das Kapitel „Das Trainingslager – Like Schweiß in the Sunshine“, Grandke, bzw. Havelkoop sind mit dem nötigen Ernst, aber mit viel mehr Lockerheit bei der Sache. Die Kreisliga ist dort, wo man als Spieler ein Tor zum Ausgleich schießt, unter der Anfeuerung des Trainers, „Schiiieeeß, Du Pfeife“, und Traktor Unterheide dann absteigen muss.

Vor allem ist das Durchschnittsalter solcher Teams oft recht ausgewogen und solide bodenständig, nämlich vom 36-jährigen Torwart Müller, Spitzname „Mütze“, der stets aus dem Tor kommt und „Tooorwart“ schreit, also „hab ihn“ meint, und jeden Kullerball spektakulär mit einem Hechtsprung fängt. Greift er mal neben dem Ball, oder fällt wie eine Bahnschranke um, ist er um keine Asurede verlegen… (wer kennt solche Keeper nicht bei sich im Team?)

Ausreden, unter anderem: Die Sonne stand so tief; Ich dachte es sei ein Rückpass gewesen, sowie „klarer Platzfehler“.

Wo einige Juniorenclubs ab der U12 bereits mit der Viererkette spielen, läuft in der Kreisliga oft noch der Libero auf: „Hotte“, so im Buch, 33 Jahre alt. Die Fußballweisheit „Hoch und weit bringt Sicherheit“, ist quasi sein Tattoo. Es besteht ein Hassliebe zwischen ihm und dem Leder, deshalb: Weg damit!

Ist Hotte am Ball, bricht er in Schweiß aus, und dass in untersten Ligen immer der dickste Spieler als letzter Mann aufläuft, ist hier im Buch also mehr als ein Klischee. Hottes 105 Kilo verteilen sich auf 1,75 m.

Es spielen auch der 25-jährige Manndecker „Kodde“, oder Felix Lampe, 20, im offensivem Mittelfeld, die hängende Spitze ist „Goofy“, 19 Jahre alt und soll wohl Kevin Reimers heißen. 34 Jahre aber ist der Mittelstürmer „Schulle“ (der selbst meint: „wir haben vom Alter ne ganz dufte Mischung“), und „Manni“ mit seinen 42 im defensiven Mittelfeld. Vor ein bis zwei Jahrzenhten kickte er mal Regionalliga, und ist auf Grund zahlreicher Kreuzbandrisse, an beiden Knien mit unzähligen Bandagen ausgestattet. Der „Mannschaftopa“ geht natürlich nimmer in alle Zweikämpfe, aber seine Freistöße sind immer noch sehr gefährlich.

Die Porträts im Buch lassen alle „Noch-Aktive“ ihr Gesicht wahren, und bestimmt schmunzeln.

Kennt nicht auch jeder Trainer in der Kreisliga die Absagen via WhatsApp, wenn Spieler dem Training fern bleiben? Kreativ sind alle Ausreden, mal ist es der „verpennte Elternabend“, dann wiederum der „wahnsinnige Stress bei der Arbeit“, und ein anderer hat sich beim „Rasenmähen“ unglücklich vertreten, er setze daher besser aus, sonst falle er noch für den Rest der Hinrunde aus…

Kreisligafußball ist dann, wenn sich selbst der Bürgermeister bei einem ambitionierten Sieg bei der Mannschaft bedankt, und zwar mit zwei Kisten Bier. Und auf der Rückfahrt, gegen halb Acht abends, auch das ist minutiös in der Chronik fest gehalten, kehren die Spieler traditionsgemäß ins „Wiehernde Ross“ bei Wirt Heinzi ein. Die erste Flasche Doppelkorn geht aufs Haus.

Der Amateurfußball wird, liest man dieses menschelnde Buch, immer überleben, vielleicht gar den hohen, abgehobenen Profifußball in den Arenen mit all seinen Logen. Auch wenn die Schiedsrichter weiter unten oft aufs Übelste beschimpft und angegangen werden – ohne die Schiris geht nichts, und Respekt sollten beide Seiten voreinander haben – denn der Amateurfußball bleibt auf lokaler Ebene der Gesellschaftskitt mit allen Stärken und Schwächen.

Das Schlusswort hat auch Havelkoop: „Ich schreibe diese Chronik jedenfalls so lange weiter, bis Benenbröök (oder Niebüll, Bargau, Unterrot oder Goldrachem und Weidhaus) endlich international spielt. Irgendwann einmal. Auch wenn hier keiner kicken kann. Vorwärts!“

Das muss echte Liebe zum Heimatfußball sein…

 

 

Veröffentlicht von

Giovanni Deriu

Jahrgang 1971, Vater, 2 Kinder, lebte lange Zeit in Asien; Dipl. Sozialpädagoge (FH) für Jugend- und Erwachsenenbildung, sowie Biographie-Arbeit. Außerdem: Industriekaufmann und gelernter Journalist. Schreibt regelmäßig für das RUND Magazin und FussballEuropa.com Fünf Jahre als Juniorentrainer tätig gewesen mit Jugendtrainer-Lizenz. In Hongkong die Junioren einer internationalen Soccer-Academy trainiert. Weiterhin als Scout (für Spiele und Spieler) unterwegs. Deriu analysiert für Spieler und Eltern die Spielerberater (und Agenturen), erstellt Profile und gibt Einschätzungen.

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