Scouting bringt Nutzen – wie kommt der Marktwert aber zustande?

Wir meinen: Die Festlegung des Marktwerts hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten verselbstständigt

Es ist legitim, wie ich schon im anderen Blog-Artikel beschrieb, dass sich Vereine, je nach Budget und Kassenlage, eigene Scouting-Abteilungen leisten. Viele greifen immer noch auf Freiberufler zu – viele ehemalige Fußballprofis sind darunter, einigen echten Experten bin ich schon begegnet und wurde in interessante Gespräche mit ein bezogen. (Immer wieder ein Genuss, ich lerne immer dazu.)

Ja, das Scouting wurde zu einer „Informationsbeschaffungs-Branche“, wie die Autoren der Studie „Die Berechnung des Siegers: Marktwert, Ungleichheit, Diversivität (…)“ es selbst benennen. Die Informationsgewinnung und Auswertung ist extrem wichtig geworden, und  hat etlichen Beobachtern, Beratern und „Evaluatoren“, auch Analysten genannt, Tätigkeiten zukommmen lassen.Kein Wunder auch, dass Scouting-Abteilungen und deren Koordinatoren, oder „Chef-Scouts“ an Bedeutung gewinnen. Deshalb sicherte sich der FC Bayern München auch die Dienste von Michael Reschke, der zehn Jahre bei Bayer Leverkusen die Geschicke dezent im Hintergrund lenkte, jedoch ausgestattet mit einem ungeheuren Wissen und einer Datenbank (die jedoch bei Verpflichtungen dann doch nur marginal eine Rolle spielt, wie einmal in einem Artikel stand).

Aber natürlich setzt sich aus diesen Daten dann „irgendwie“ auch der Marktwert zusammen. Welches Alter hat der Spieler, wann wurde er entdeckt, wo spielt er derzeit?

Welcher ist sein starker Fuß, schießt er gar beidfüßig? Fußstellung beim Schuss, genauso wichtig, wie ein DFB-Fußballlehrer meint. Wieviel Kilometer läuft der Spieler pro Match? Wieviele Zweikämpfe gewinnt er durchschnittlich, usw. usw.

Ganz wichtig ist natürlich der Gesundheitsaspekt. Alle Indikatoren gemeinsam werden von den Verantwortlichen im Verein ausgiebig erörtert. Bei der Festsetzung eines Marktwerts, spielen dann noch Indikatoren oder „Zufallsparameter“ eine Rolle, die sich unser einem, aber auch den absoluten Experten kaum erschließt.

Der Restfaktor „X“ bleibt immer, mit dem man Marktwerte und Ablösesummen beeiflussen kann.

Ich bin mir z. B. ganz sicher, dass es weit vor dem Bosman-Urteil, in den 80ern, eine „Formel“ gab, die im Großen und Ganzen Abslösesummen sowie den Marktwert eines Spielers zu 90% regelten. Die Berechnung war damals nachvollziehbarer als heute.

Dass Clubs mit einem Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) natürlich eine Kompensationszahlung für die Ausbildung und Kosten erhalten, sollte der begehrte Juniorenspieler den Verein wechseln, versteht sich von selbst. Das ist vom DFB auch so geregelt.

Markwert-Analyse und was dahintersteckt:

Transfermarkt.de kennt ja inzwischen jeder, und auch ich bin in unregelmäßigen Abständen Besucher dieser Website. Außerdem holte ich mir von Fachleuten und Experten immer gern Rat. Bei Transfermarkt.de arbeiten Fachleute, sehr gute Redakteure. Jedenfalls konfrontierte ich Transfermarkt.de mit meiner Erinnerung, ob es nicht irgendwann einmal so eine „Formel samt Parametern“ gegeben hätte. Und, wie komme der Transfermarkt eigentlich auf die Summen, wie würden Marktwerte „taxiert“ ?

Sehr zügig und fachlich einwandfrei antwortete mir Web-Analyst Steffen Dombert von Transfermarkt.de .

Auf der Tranfermarkt-Website gibt es ja eine eigene Rubrik, ein Forum, für „Marktwertanalyse“.

www.transfermarkt.de

Dombert erläuterte, dass Marktwerte von den Usern und Experten (warum davon einige anonymisiert sind, weiß man leider nicht; und es ist irgendwie auch schade, bekommt es so leicht den Touch des „Unseriösen“) Forum vorgeschlagen und diskutiert werden. Moderatoren begleiten die Diskussionen, halten Marktwerte fest, und am Ende prüft die Tranfermarkt-Geschäftsführung die entstandenen Marktwerte. Quasi vor der offiziellen Freigabe auf der Website. Klar, auch Transfermarkt.de hat eine Reputation zu verlieren, wenn es nicht ganz „koscher“ zugehen würde.

Eigentlich bewegt sich die Marktwertanalyse dennoch im Bereich von, andere Rubriken heißen so, „Gerüchten“. Die Redaktion und Geschäftsleitung von Transfermarkt.de stellt bei der Festlegung des Marktwertes die selben Fragen nach z. B. Alter, Position, sportliche Leistungen, wie ich sie bereits zuvor erläutert habe.

Hinzu kämen noch Prestige und Marketingfaktoren oder Zukunftsperspektiven des Spielers. Eine „starre Formel“ werde bei Transfermarkt.de nicht verwendet.

Es sei grundsätzlich so vorgesehen, dass eine Liga zweimal jährlich einem Marktwert-Update unterzogen werden soll! Klar, meistens in den Sommermonaten und im Winter – jeweils da sind auch die Transfer-Fenster geöffnet. Eine interessante und lukrative Zeit, für wechselwillige Spieler, aber auch Vereine und Berater sind da ganz auf Zack. Die heiße Phase.

Ich schätze die Kollegen von Transfermarkt.de sehr, nichtsdestotrotz, so groß ihr Wissen und Moderationsgeschick in manchen Bereichen und Foren ist, die Kritik (nicht nur von mir) reißt nicht ab, dass die Marktwertanalyse eigentlich ein Forum für Spielerberater ist, die zwischen Seriosität und Märchenland zuhause sind. Klar, die Geschäftsleitung prüft so gut sie kann, und sie gab auch schon zu, dass sie von etlichen Spielerberatern kontaktiert würde – und das täglich. Klar, jeder will „seinen“ Spieler platzieren.

Kann man dann aber auch wirklich jeden Spieler oder auch Trainer gleichwertig fair einkategorisieren? Wer prüft geschönte sportliche Werdegänge, besonders aus dem Ausland?

Nein, wer prüft eigentlich tatsächlich unseriöse Berater? Ausgerechnet jetzt möchte sich die FIFA rar machen, was die Lizenzvergabe an Spielerberatern betrifft. Und der DFB? Die DFL? Halten sich momentan auch noch zurück.

Spielerberater und auch Vermittler (auf den Unterschied bin ich hier im Blog schon eingegangen) wollen ganz klar verdienen. Vermittler erhalten ihre Aufträge auch oft von Vereinen selbst. Auch wenn es z. B. darum geht, einen Spieler, der leistungstechnisch aber auch vom Gehaltsgefüge nicht mehr passt, zu verkaufen. Der Vermittler wird dann diesen Spieler „querbeet“ anbieten, nein, feil bieten. Die Provision bei Erfolg ist dem Vermittler sicher – evtl. gar von zwei Seiten: dem abgebenden Verein, sowie ggf. vom neuen Verein.

Berater partizipieren normalerweise nur beim abgeschlossenen Profi-Vertrag und der festgesetzten Jahresbrutto-Summe (Abweichungen möglich, da oft Verhandlungssache; manchmal zusätzlich klar an Sponsorenverträgen, etc.).

Aber seriös und angebracht, lassen sich Spielerberater eine Beteiligung zwischen vier und 10-Prozent des Jahresbrutto-Verdienstes festschreiben im Vertrag mit ihrem Spieler. Alles darüber hinaus, ist … legen wir den Mantel des Schweigens darüber.

Es ist genauso lächerlich, beim ersten mininalem Anfangsgehalt, z. B. frisch aus der U-19 kommend, zwar im Profikader eines Drittligisten – evtl. als Vertragsamateur-, eher als „Ergänzung“, bereits auf die Provision zu pochen. Hier wäre ggf. ein Unterpunkt im Vertrag angebracht, dass man nur 2% als Aufwandsentschädigung berechnet, solange nicht wirklich ein runder Profi-Vertrag mit dem angebrachten Gehalt feststeht. (Rechnen sie doch selbst, sagen wir einmal, 5 Prozent von einem Bruttojahreseinkommen von 50 000 € bei einem jungen Spieler in einer normalen Mannschaft im unteren Mittelfeld).

Seien sie sich sicher, viele Berater erhalten einen zusätzlichen Bonus, wenn es der einstige Juniorenspieler in den Profikader schafft.

Alles legitim, alles Verhandlungssache, alles Club-Philosophie – nur realistisch sollte es sein!

 

Veröffentlicht von

Giovanni Deriu

Jahrgang 1971, Vater, 2 Kinder, lebte lange Zeit in Asien; Dipl. Sozialpädagoge (FH) für Jugend- und Erwachsenenbildung, sowie Biographie-Arbeit. Außerdem: Industriekaufmann und gelernter Journalist. Schreibt regelmäßig für das RUND Magazin und FussballEuropa.com Fünf Jahre als Juniorentrainer tätig gewesen mit Jugendtrainer-Lizenz. In Hongkong die Junioren einer internationalen Soccer-Academy trainiert. Weiterhin als Scout (für Spiele und Spieler) unterwegs. Deriu analysiert für Spieler und Eltern die Spielerberater (und Agenturen), erstellt Profile und gibt Einschätzungen.

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