Trainer-Psychogramm (Teil II) : Guardiola und Mourinho – Wie viel Perfektion oder Fassade kann eine Trainerseele ab?

…Fortsetzung:

Pep Guardiola wechselt also zu Manchester City, ins Mutterland des Fußballs. Ob Guardiola zum Zeitpunkt seiner Verhandlungen mit ManCity evtl. dachte und darauf spekulierte, dass José Mourinho England verlassen würde (verheerend war dessen Niederlagenserie bei Chelsea, und Mou musste gehen)? Noch ist alles offen, aber es sieht fast danach aus, als könnte Mourinho dennoch in England bleiben. Der Niederländer und Ex-Bayern-Coach, Louis Van Gaal, wackelt nämlich sehr. Manchester United hatte sich mehr erhofft.

Wir erinnern nochmals:

>> Es kam zu einer Szene, am Abend des 14. Mai 1997, im Feynoord-Stadion zu Rotterdam, als der FC Barcelona in einem engen Finale Paris St. Germain im Europa-Cup der Pokalsieger mit 1:0 besiegte. Robsons Team verteidigte das knappe Ergebnis, und als der deutsche Schiedsrichter Markus Merk das Finale abpfiff, war überall viel mehr als Erleichterung spürbar. Alle jubelten und umarmten sich, und da fiel Peps Blick auf einen Mann im Trainerstab an der Seitenlinie, mit Mittelfeldmann Ivan de la Pena winkte Pep dem Mann zu, und lief ihm gleichzeitig mit einem Grinsen im Gesicht in die ausgestreckten Arme.

Es war José Mourinho. Beide umarmten sich innig und hüpften im Kreis. <<

Zu solchen Szenen kommt es momentan ganz sicher nicht, zu unterkühlt ist das Verhältnis der beiden Trainer, die sich zwar nach wie vor (sportlich professionell) schätzen, dies aber kaum zeigen können – zu viel ist vorgefallen.

Im Buch „PEP Guardiola“, Die Biografie, von Guillem Balagué (erschienen im C. Bertelsmann Verlag), wird eindrücklich beschrieben, wie Guardiola in der Saison 2010/11 die Ankunft von Mourinho bei Real Madrid zum Saisonbeginn in einer Pressekonferenz begrüßte: „Mourinho wird mich zu einem besseren Trainer machen. Es ist wichtig, dass er in Spanien arbeitet, weil er einer der weltbesten Trainer ist…“, er (Mou) werde alle besser machen.

Pep kannte Mourinhos Tricks: „Er arbeitet mit einem loyalen Kern von Spielern, die sich um den Trainer scharten, mit Kritik an Autoritäten und Schiedsrichtern, einer >>Wir gegen den Rest der Welt<<-Mentalität, und letztlich mit einer sehr wirkungsvollen, umfassenden Methode für Titelgewinne.“

Es war stets bekannt, dass sich Mourinho immer vor sein Team stellte in der Öffentlichkeit – so nahm der Portugiese stets viel Feuer und Brisanz für die Spieler heraus, aber intern rechnete Mourinho „knallhart und schonungslos“ ab. Jeder Spieler wusste und weiß, was er dem Team und Mourinho zurückgeben muss! Pep Guardiola selbst erwarb sich seine Autorität und den Respekt immer durch seine Art zu wirken – nicht nur durch das Spiel, sondern auch durch sein kontrolliertes Verhalten in „guten und in schlechten Zeiten“.

Zyniker wiederum meinten, seine beispielhafte Gelassenheit sei gespielt. Sein Verhalten in der Öffentlichkeit nur eine zur Schau getragene Fassade (das kann anstrengend sein auf Dauer; psychosomatische Symptome können entstehen; Guardiola litt öfters an Schlafstörungen).

Den wahren Pep würde man erst nach einer Niederlage kennen lernen.

Fakt ist, dass Pep Guardiola selten mit sich und dem Spiel ganz zufrieden ist. Immerhin lernte Guardiola bei den Bayern, dass man seine Spielphilosophie oft den Gegebenheiten (Verletzungsmisere) opfern oder anpassen muss. Schwer zu akzeptzieren für einen Perfektionisten.

Pep stand für die Werte des Guten, und Mourinho mit REAL für das königlich Erhabene und eher als Provokateur. Motto, seht her, die Guten (Pep und Barca) würden immer unterstützt… (bewusst in die Welt gesetzte Verschwörungstheorien Mourinhos, gegen die Uefa, FIFA und Schiedsrichter sowieso).

Bevor José Mourinho als Champions-League-Sieger mit INTER Mailand anschließend nach Madrid gelotst wurde, kam es zum ersten Aufeinandertreffen beider Akteure als Trainer.

In der Saison 2009/2010 traf Barcelona in der Gruppenphase der Champions-League auf INTER. Obwohl überlegen nach Spielanteilen, kam es in Mailand nur zu einem 0:0. Umso überzeugender schlug Barca INTER zuhause vor 98.000 Zuschauern mit 2:0. Mourinho war sich nicht zu schade, Barcas Spiel in der Pressekonferenz zu loben. „Aber Mourinho beobachtete genau, was Peps Team so gut machte.“

Das Schicksal wollte es so, dass sich beide Teams ausgerechnet im Halbfinale dieser Champions-League-Saison wieder sahen. Ideal für Mourinho, denn der entwickelte sich über die Jahre zum Spezialisten für K.-o.-Runden.

„Zu Mourinhos Strategie gehörte immer, dass das Spiel bereits bei der Pressekonferenz vor dem Spiel eröffnet wurde.“

Dabei schuf der Portugiese stets eine feindselige Atmosphäre, und er legte in dieser Phase „fußballtaktische“ Fallen aus. (Aber, nicht, dass Mou vom Naturell auch so wäre, im Gegenteil, er sah und sieht es als Spiel des Ganzen!)

Wegen einer Vulkanaschewolke von Island ausgehend, die über Europa hing, musste FC Barcelona mit dem Bus nach Italien anreisen. Die Reisestrapazen spielten Mourinho in die Karten. INTER, taktisch diesmal besser vorbereitet, gewann im Giuseppe-Meazza-Stadion mit 3:1, obwohl Peps Team führte.

Mourinhos Psychospiele gingen nach dem Match weiter: „Es ist immer schwer, wenn man verliert, besonders für diejenigen, die nicht daran gewöhnt sind“, zündelte Mourinho weiter.

Pep hingegen hielt sich zurück, und gab in der PK auch an, dass er sich zu solchen Aussagen nicht äußern werde. Pep kannte Mou allmählich. Pep wollte die Spannung und Konzentration des Teams hoch halten: Keine Ablenkungen bitte!

Mourinho dagegen wusste, dass sich PEP und dessen Team mit starken Emotionen schwer tat. 

Um es kurz zu machen, Thiago Motta sah die Rote Karte, und INTER musste sich nicht einmal schämen, in Unterzahl über eine Stunde zu verteidigen – auch das spielte dem INTER-Team Mourinhos in die Karten. Piquè gelang zwar ein Tor für Barca, mehr ging aber nicht. Mourinho reckte an seiner alten Wirkungsstätte die Arme in den Nachthimmel, dort, wo er einst als Co-Trainer begann (und oft als „El tradutor“, der Übersetzer, herab gestuft wurde). „Es war die wunderbarste Niederlage meines Lebens…“, erklärte Mourinho in die Mikrophone. Der portugiesische „Psycho-„Trainer gewann das Finale gegen die Bayern von Van Gaal mit 2:0.

Mourinho hatte damit PEP ausgiebig studieren können, und seine Attacken wollte er als REAL-Trainer fortsetzen. Beide Trainer, im Januar geboren, Mourinho zwar knapp acht Jahre älter, sind sich eigentlich sehr ähnlich. Groß im Analysieren der Schwächen anderer, von sich selbst immer viel abverlangend, aber dennoch auch „dünnhäutig“. Um zu gewinnen, tun beide ihr Möglichstes.

Jedenfalls hatte Mourinho schon vor dem Start bei REAL analysiert, dass Barca immer „der rote Teppich“ ausgerollt würde, durch die Schiedsrichter! Das musste ein Ende haben. Mourinho beschloss, Barca musste vom Sockel gestoßen werden – während Pep viel tiefer dachte, ihn interessierte das Große Ganze, die Schönheit des Spiels, die Kultur, ja, die katalanische Identität!

Beide Trainer sind „Menschenfischer“, denen die, die sie überzeugen, „aus der Hand fressen“ – Kritiker im Team, opfern beide. So ist bekannt, dass PEP große Spieler, besonders charakterstarke Individualisten(Egoisten?) weniger schätzt. An Ibrahimovic und Eto’o arbeitete sich Guardiola ab. Der kleine portugiesische Mittelfeldspieler Deco, bei Chelsea unter Mourinho im Team, äußerte sich so über den Coach „Mou“: „Mourinho is special, because he is one of the few People capable of changing player’s mentality. He didn’t change the way I play. He improved it. He got me thinking a lot more…“, so Deco.

(Mourinho sei ganz speziell, weil er einer der wenigen Trainer ist, der in der Lage ist, die Mentalität der Spieler zu verändern; er veränderte nicht meine Spielweise, aber er verbesserte sie. Er brachte mich dazu, mehr zu denken.)

Mourinhos Teamansprachen waren immer authentisch und alle Spieler bestätigen, dass er allen die gleichen Chancen einräumte. Englisch war die Teamsprache in England, auch die portugiesischen oder brasilianischen Spieler mussten sich dieser Anordnung fügen. Mourinho hatte stets die Gabe, Spielern viel Selbstbewusstsein einzuflößen, ihnen die Angst vor Niederlagen zu nehmen. Erfolgreiche Teams, so Mourinho, fürchten keine Niederlagen. So machte er den kleinen FC Porto groß, aber auch Chelsea London.

Es kam genauso, wie es kein Buch oder Regieplan hätte besser beschreiben können: Es ist ein Wettstreit, der im Himmel ersonnen wurde, weil die Rivalität zweifellos zum beiderseitigen Nutzen ist.

Die Clubs, Fans und Medien profitier(t)en vom Duell, Pep  vs  Mou. Zu oft rückten aber beider Teams in den Hintergrund.

》》Madrid zeichnete das energiegeladene Spiel aus, stark, schnell und wettkampforientiert. Barcelona dagegen entdeckte schließlich im holländischen Modell eine tragfähige Alternative für die Duelle mit Madrid: ein effektives Pass- und Offensivspiel. 《《

Beide Startrainer entwickelten verschiedene Auffassungen und genau ein entgegengesetztes Fußballverständnis. Passspiel, Teamwork, und gutes Benehmen auf dem Platz wie außerhalb, waren Barcas Vorgaben. Madrid, ganz auf Mourinhos Linie eingeschworen, wollte attackieren, das Passspiel unterbinden und schnell kontern. Mourinho dressierte Individualisten, die bereit waren, für den Sieg alles zu geben – und Mourinho schätzte diese Loyalität, er schützte sein Team nach Außen immer.

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Die zahlreichen „Clàsico“ in Spanien mit REAL Madrid und Barca, entschieden die Katalanen insgesamt zwar knapp für sich, aber auch Mourinho und REAL setzten Barcelona und PEP empfindliche Niederlagen zu.

Mourinho, eher ein Produkt unserer Gesellschaft, wenn es sein muss, den Exzess auslebend – und Guardiola mit seinem Bauchladen der Tugenden: Gespür, Vorsicht und Behutsamkeit.

Der individuelle Führungsstil ist auch ein Spiegel der jeweiligen Persönlichkeit. „Mourinho lebte und verteidigte“ den Spitznamen „The Special One“, ganz mit dem Anspruch auch an andere – „Achtet darauf, dass niemand gleichgültig bleibt, wenn es um ihn geht.“ Die Menschen lieben oder hassen ihn. Das, so steht im Buch auf Seite 314 (Biografie von PEP), gilt auch für seine Spieler, die immer wissen, dass ihr Verhalten Konsequenzen hat. Mourinho arbeite mit einem System von Strafen und Belohnungen, erklärt die Sportpsychologin Almudena Lòpez.

Beide Trainer passten zu den Clubs, die sie repräsentierten. PEP suchte immer die Spieler auf Geschichte und Werte zu erinnern, Mourinho war eher der Guru, den Madrid brauchte, um wieder an sich selbst zu glauben, so die Analyse der Sportpsychologin López.

Und, arbeiten beide für Clubs, dann immer mit Hingabe, und sie verlangen viel von sich selbst. „Mourinho erscheint schon um sieben Uhr morgens im Valdebebas-Trainingelände in Madrid, und vergewissert sich, dass alles für den Arbeitstag vorbereitet ist…“, Guardiola auf der anderen Seite hat man erst um zehn Uhr abends die Barca-Anlage beim  Verlassen sehen.

Jedenfalls merkt man auch, dass PEP auf Dauer Kraft und Energie verließen, durch die ständigen Psychospielchen mit Madrid. „Das ist alles so schwer, es ist zu viel“, räumte PEP im Privaten Kreis ein. Das Problem war größer als Peps psychische Widerstandskraft. Die Auszeit, das Sabbatical-Jahr, brauchte er am Ende für den Neubeginn in München.

Für Mourinho gehörte der Psychokrieg zum Spiel – Privat sei Mourinho sowieso ganz anders – der fürsorgliche Trainer und Familienvater. Aber viele sahen in Mourinho auch eine Symbiose von Dr. Jekyll und Mr. Hyde.

Mal exzessiv und „crazy“, dann wieder behutsam und kontrolliert. Die zwei Gesichter eben.

Während PEP „keine so glücklichen Erinnerungen“ an die Spiele gegen Mourinho hat (trotz der Siege schwang immer etwas Negatives mit), genoss Mourinho die Partien und das Medienspektakel, wusste aber stets zu trennen, was Business und was After Match war.

Mourinho meinte einmal, „unsere Beziehung war gut, ist gut und wird gut sein!“

Pep sollte das nie so sehen, zu viel ist bisher passiert.

Pep nahm das alles persönlich. Für Mourinho gehörte alles zum Beruf.

Bei Bayern München und dessen Umfeld, konnte PEP Guardiola Siege und Erfolge feiern, ohne dass ihm jemand psychisch zusetzte.

Wäre Guardiola für eine neue battle in England bereit, wenn Mourinho einen Kontrahenten trainiert? Ist vielleicht gar Mourinho nach der letzten Erfahrung mit Chelsea demütiger geworden? Wohl kaum, im Kern ändern sich beide Trainer und Persönlichkeiten nie, gegebenenfalls wird einer von beiden später etwas „altersmilde“. Man darf gespannt sein aufs nächste Duell.

 

 

 

 

 

Veröffentlicht von

Giovanni Deriu

Jahrgang 1971, Vater, 2 Kinder, lebte lange Zeit in Asien; Dipl. Sozialpädagoge (FH) für Jugend- und Erwachsenenbildung, sowie Biographie-Arbeit. Außerdem: Industriekaufmann und gelernter Journalist. Schreibt regelmäßig für das RUND Magazin und FussballEuropa.com Fünf Jahre als Juniorentrainer tätig gewesen mit Jugendtrainer-Lizenz. In Hongkong die Junioren einer internationalen Soccer-Academy trainiert. Weiterhin als Scout (für Spiele und Spieler) unterwegs. Deriu analysiert für Spieler und Eltern die Spielerberater (und Agenturen), erstellt Profile und gibt Einschätzungen.

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