Trainerkunde: Lernen von Frank de Boer heißt, Ruhe bewahren, auch wenn die Situation angespannt ist! INTER schlägt JUVE unerwartet 2:1!

Frank de Boer schaffte mit Inter Mailand wohl den „Turn-Over“. Wie wir hier im Blog schon berichteten, startete Frank der Boer als Mancinis Nachfolger, gleich nach dessen Vorbereitungsphase mit einer Niederlage (gegen Chievo). Viel Einfluss hatte de Boer auf die Schnelle also nicht. Dazwischen gewann Inter nur knapp gegen Pescara, und in der Europa-League blamierte sich Inter daheim gegen das israelische Team von Hapoel Beer Sheva! Im San-Siro unterlag Inter den No Names mit 0:2. Ausgerechnet vor dem Match und Derby gegen Rekord-Meister Juventus, wurde de Boer schon in Frage gestellt. Der Niederländer blieb ruhig, sein Team auch, selbst als Juve mit 1:0 im „Meazza“ führte. Ein absolutes Lehrbeispiel…

Hapoel Beer Shev… wer? Der Spott brach über Trainer de Boer und seinen Mannen nach dem 0:2 ein, und es schien nur noch eine Frage der Zeit, bis der neue Trainer seine Koffer packen sollte. Jedenfalls schien es bereits ausgemacht, dass spätestens nach einer Heimniederlage im Derby gegen Meister JUVE die Zeit des Abschieds gekommen sei. Und das wäre dann nach knapp sechs Wochen gewesen. Die italienische Fußballwelt ist unbarmherzig und rauh, besonders wenn man „Mister“ einer Topelf wie der von Inter Mailand ist, mit ganz hohen Ansprüchen. Frank de Boer war jedoch der Wunschkandidat von Mäzen Thohir und der chinesischen Unternehmer-Gruppe. Was klopften sie sich auf die eigenen Schultern, denn auch der AC Milan war an Frank de Boer dran – dem ehemaligen Topspieler von Ajax und Barcelona, ein Schüler van Gaals, und Frank de Boer gewann als Trainer vier Meisterschaften in Folge mit Ajax Amsterdam, dort wo Cruyffs Geist allgegenwärtig ist.

Mit 2:1 wurde Juventus Sonntagabend besiegt. Und das nicht irgendwie, sondern aufregend und dennoch diszipliniert. Diese Disziplin und das Einhalten von Vorgaben erwünschte und trainierte de Boer seit seiner Ankunft in Mailand täglich. Behutsam mussten er und sein Trainer-Team den von Roberto Mancini vorbereitete, aber verlassene Kader, auf eine neue Philosophie vorbereiten.

Und dies 10 Tage vor Saisonstart. Ein Glück hatte de Boer Rückendeckung, aber das Gros der Tifosi zweifelte nach den ersten durchwachsenen Ergebnissen. Besonders nach dem Heimdesaster gegen Hapoel Beer Sheva. Häme kann auch erdrücken…

Doch beim 2:1-Derbysieg gegen das Juveteam von Max Allegri, das in der Champions-League Tage zuvor 0:0 gegen Sevilla spielte, wurden alle Vorgaben eingehalten. De Boer übertrug die Ruhe auf sein Team, übte unbeeindruckt Spielzüge seines bevorzugten 4-3-3-Systems ein, das er variabel auch in ein 4-3-2-1 verändert. Ein hohes „Pressen“(Pressing) sollte Juve aus dem Konzept bringen, was auch gelang. Weit aufgerückt spielte die Viererkette und die Außenverteidiger und Sturmspitzen mit Mauro Icardi und Perisic attackierten früh, zudem wurde auch Khediras Wirkungskreis eingeschränkt. Trainer Allegri musste sich zudem die Frage gefallen lassen, weshalb „90-Millionen-Mann“ Higuain nur auf der Bank saß. Mauro Icardi, der argentinische Stürmer traf nur 2 Minuten nach dem 0:1 gegen Juve zum Ausgleich, und als Perisic zum 2:1 traf, tobte San Siro. Icardi meinte später nur, die Medien seien mit de Boer zu kritisch umgegangen, das Team habe die ganze Zeit „seriös gearbeitet“.

Das Erfolgsrezept von Frank de Boer (und es erinnert ein wenig an die Art Ancelottis und van Gaals), auch für andere Trainer hier:

  • Arbeite hart weiter, und verfolge Deine Philosophie konsequent. Der Derby-Sieg war ein Resultat dessen, dass „Mister“ de Boer seiner Linie treu blieb. „Wir haben darauf hingearbeitet, auch wenn sicher wieder Rückschläge kommen“, so der Coach. Geduld und Zeit sind wichtig, um ein System (auch schnell! -kein Paradox-) zu implementieren. Roberto Mancini, der Vorgänger, war für die Saisonvorbereitung zuständig… aber de Boer musste seine Art und Methodik einführen, ohne Alles von Mancini über den Haufen zu werfen. Langsame Veränderungen sind sinnvoll. Das Gute beibehalten, und Schwächen „abbauen“. (so in etwa lautete auch Ancelottis Devise post Guardiola bei den Bayern)

 

  • Analysiere knallhart, besonders bei Rückschlägen, obwohl die Leistung stimmte. Trotz einer Niederlage muss nicht alles falsch gewesen sein. Änderungen brauchen Zeit, System und Taktik sitzen nur durch ständige Wiederholungen!

 

  • Die vorhandenen Stärken „stärken“, leicht ausbessern und automatisieren, sowie die Fehler durch Training und Videoanalyse beheben.

 

  • Kondition und Fitness sind zu keiner Zeit zu vernachlässigen. Stets mit dem Ball arbeiten!

 

  • Immer danach schauen, dass jeder Spieler das macht, was er kann – Überforderung bringt keinem etwas. Alle sollen das System verstehen!

 

  • Außerdem, „Wiederholen, wiederholen“, eine Automatisierung soll sich einstellen.

 

  • Und: Im Match auch bei einem Rückstand den „Kopf nicht verlieren“, Vorgaben weiter einhalten. Mehrmals erwähnte de Boer, wie wichtig es gegen Juve gewesen sei, dass seine Elf auch beim 0:1-Rückstand „kühlen Kopf“ und Ruhe bewahrte, und nicht Alles, was abgesprochen war, über Bord warf. Das Team hielt am System fest, und wurde dafür belohnt.

 

Wir verfolgen de Boers Weg hier weiter.

 

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(Frank de Boer scheint nach dem Derby-Sieg wieder besser gelaunt zu sein)

Veröffentlicht von

Giovanni Deriu

Jahrgang 1971, Vater, 2 Kinder, lebte lange Zeit in Asien; Dipl. Sozialpädagoge (FH) für Jugend- und Erwachsenenbildung, sowie Biographie-Arbeit. Außerdem: Industriekaufmann und gelernter Journalist. Schreibt regelmäßig für das RUND Magazin und FussballEuropa.com Fünf Jahre als Juniorentrainer tätig gewesen mit Jugendtrainer-Lizenz. In Hongkong die Junioren einer internationalen Soccer-Academy trainiert. Weiterhin als Scout (für Spiele und Spieler) unterwegs. Deriu analysiert für Spieler und Eltern die Spielerberater (und Agenturen), erstellt Profile und gibt Einschätzungen.

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