Über Mourinhos Bibel und wenn sich Spieler wie Krieger fühlen…

Wir haben hier im Blog schon oft über José Mourinho berichtet. Der Trainer und zweimalige Champions-League-Gewinner beschäftigt den Fußballsport. Mourinho ist und bleibt ein streitbarer Trainer – zuletzt sortierte „Mou“ sogar etwas unschön Bastian Schweinsteiger aus (hier im Blog behandelt). Man reibt sich an Mourinho. In dieser Saison 2016/17 ist die Premier League nur so gespickt mit erfolgreichen Welttrainern. Und, dass in dieser Saison ausgerechnet „Mou“ und „Pep“ wieder aufeinander prallen, macht die englische Liga nicht uninteressanter – im Gegenteil. Manchester United mit Mourinho und Guardiola bei Manchester City lassen eine Fußballstadt und die Insel beben. Schon früh behandelten wir hier im Blog die Möglichkeit des erneuten Zusammentreffens, und sahen Mourinhos Chancen bei ManU größer werden, nachdem Lehrmeister Van Gaal bei Manchester scheiterte – immerhin erreichte van Gaal den fünften Platz und gewann den FA-Cup. Nicht viel anders Mourinho, der zum allerersten Male entlassen wurde: beim FC Chelsea, weil er nicht an die Erfolge vergangener Zeiten anknüpfen konnte. Und Pep? Der galt, trotz dreier Meisterschaften in Folge und zwei Pokalsiegen bei den Bayern (also zwei Double) nur als „halb“ erfolgreich, weil es ihm nicht gelang, nach Jupp Heynckes wieder die Champions-League zu gewinnen. Dennoch hinterließ Pep Guardiola Spuren in der Bundesliga. Zurück zum Portugiesen Mourinho: Rechtzeitig zur neuen Ära bei Manchester United, und zum Stelldichein einiger bekannter Trainer, allesamt Mourinhos Gegner, hat der „riva-Verlag“ München eine deutsche Biografie zu José Mourinho herausgebracht. Aber nicht irgendeine! Die persönliche Biografie des „Special One“, hervorragend von Julien Wolff recherchiert und verfasst, enthält auch ein Vorwort von Nationalspieler Mesut Özil. Und der erlebte drei intensive Jahre mit Mourinho bei REAL Madrid. Mourinho erwarte Disziplin mehr, als jeder andere.

Hart aber immer fair, so fasst Mesut Özil Mourinhos Art im Vorwort der Biografie des „Special One“ zusammen. Und wenn der filigrane Mittelfeldspieler schreibt, er habe jedes „seiner Worte bei Mannschaftbesprechungen aufgesaugt“, jede Kritik akzeptiert, und sich gar dazu hinreißen lässt zu schreiben, „Ich habe Mourinho geglaubt“, dann ahnt man, welch Ausstrahlung der portugiesische Meistertrainer hat. Exakt 157 Spiele durfte Özil unter Mourinho absolvieren. Mourinho habe ihn damals auch unbedingt gewollt, ebenso Sami Khedira, ein Kapitel der Biografie (riva-Verlag, München; ISBN  978-3-86883-941-8) beschäftigt sich mit „Mourinho und die Deutschen“. Mourinho überlässt wohl auch nichts dem Zufall, denn zukünftige Spieler konkaktiert der Portugiese schon sehr früh. Khedira erinnert sich: „Die Art, wie Mourinho mit mir gesprochen hat, ließ mir gar keine andere Möglichkeit, (als) das Angebot, für Real zu spielen, anzunehmen.“

Und so geht es einigen Spielern im Laufe von Mourinhos Karriere. Es gibt die, die sofort von diesem Coach gefangen und begeistert sind, und diejenigen, die mit ihm aber gar nicht auskommen – Disziplin gehe eben über alles, das musste auch ein Mario Balotelli bei Inter Mailand einst merken.

Im Blog haben wir hier bereits ein „Psychogramm“ der beiden erfolgreichen Trainer, Guardiola und Mourinho, erstellt, die die Primera Division über Jahre bestimmten wie keine Trainer zuvor. Viel sagt auch das etwas ältere Buch, in englischer Sprache von Patrick Barclay über Mourinho aus: „Anatomy of a Winner“. Schon hier wird die Geschichte beschrieben, wie der junge José dadurch geprägt wurde, als sein Vater, ein ehemaliger Torwart und späterer Trainer, an Heilig Abend per Telefon „entlassen wurde“. So ein Erlebnis brennt sich ein. Nie wolle José selbst entlassen werden, doch diese Erfahrung blieb ihm, wir wissen es, nicht erspart. Ausgerechnet bei seinem zweiten Aufenthalt in London beim FC Chelsea, als der Erfolg in der zweiten Saison plötzlich ausblieb, musste Mourinho seinen Hut nehmen. Kurzzeitig hatte Mourinho an Farbe verloren, als hätten sich alle – nicht nur die Schiedsrichter – gegen ihn und sein Team verschworen.

Aber (s)ein Selbstbewusstsein verliert ein Mourinho nie!

Wie gesagt, zu Mourinho stehen hier im Blog  checkfussballberater.de  bereits einige Texte und Analysen, und deshalb wollen wir hier aus der neuen Biografie auch nicht zu viel vorwegnehmen, oder verraten. Dieses Buch ist ein MUSS für jeden Fußballbegeisterten, der Mourinho besser verstehen möchte. Ein Fundus an (Fach-)Wissen für jeden Trainer, auch bei den Amateuren.

20160820_170151-1Im Buch werden auch sehr menschliche Seiten des großen „Motivators“ Mourinho beschrieben, dass für einige Momente auch Gänsehaut aufkommt, wenn man dieses Buch nur genau und tief genug liest.

Aber richten wir den Blick mehr auf den erfolgreichen Trainer, der so wurde, wie er wurde. Auf seinem Laptop, so heißt es, hat Mourinho schon früh in seiner Karriere „eine ganz besondere Datei“ angelegt. Er hat sie so gespeichert und seine Ordnerstruktur und den Desktop so eingerichtet, dass sie „für Außenstehende schwer zu finden ist“, Mourinho, so weiter, ist die Datei sehr wichtig. Er nennt sie „die Bibel“.

Während der Spiele, aber meist nur in der ersten Halbzeit, schreibt Mourinho in ein kleines Notizbuch. In der Halbzeitpause nutzt er es für zielgerichtete Ansprachen. Da kann man noch etwas für die zweite Hälfte korrigieren. Mourinho selbst, der schon früh seine Trainerkarriere zu planen begann, würde seiner >>Bibel-Datei<< folgenden Titel geben: „(…) die Entwicklung meines Trainings-Konzepts.“

Beim FC Chelsea London, aber davor schon beim FC Porto, hat Mourinho einen Verhaltenskodex verfasst, den er seinen Spielern gleich zu Beginn des ersten Trainings aushändigt.

Zuerst in Blattform, dann auch digital, damit ihn die Spieler auch immer auf den Smartphones abrufen zu können.

Darin heißt es unter anderem,

Keiner ist größer als der Verein!

Kein Spieler ist wichtiger als die Mannschaft!

und weiter heißt es in der „Bibel“: Das Team hinter dem Team ist zu respektieren!

Ein Strafenkatalog regele zudem immer die Geldbußen intern:

320,-€ bei 15 Minuten Verspätung

650,- € bei Verspätungen bis zu einer halben Stunde

Spätestens Mitternacht müssen Spieler zu Hause sein

Es ist zudem verboten, Snacks vor dem Spiel zu essen und sich Essen oder Getränke vom Zimmerservice auf das Hotelzimmer bringen zu lassen !

Es ist klar, dass ein Mourinho selbst vorbildlich leben muss, und stets diszipliniert ist. Die Spieler sehen, dass er alle gleich und fair behandelt.

Über die Disziplin und Pünktlichkeit sagt Mourinho: „Ich würde eher nur mit zehn Spielern spielen lassen, als auf einen Spieler zu warten, der zu spät zum Bus kommt.“

Mourinho sagt, für ihn bedeute Führen nicht, Befehle zu geben, sondern zu leiten. Er beziehe Spieler mit ein. Außerdem schützt Mourinho sein Team nach Außen. In Spanien bei Real, aber schon bei Chelsea und Inter Mailand, wurde Mourinho immer als „Psychokrieger“ wahrgenommen. Wir gegen den Rest der Welt.

Jorge Costa, ein Verteidiger, spielte unter Mourinho beim FC Porto, und berichtet später: „Er fragt Spieler, ohne seine Autorität zu verlieren“, er habe keine Angst davor. Und weiter, „Er hat uns in einer Art und Weise verändert, die sich niemand vorstellen kann. Vorher waren wir Spieler, danach Krieger, die füreinander kämpfen.“ Mourinho habe alle mit dem Virus „des Sieges“ infiziert. Ähnliche Aussagen kamen auch von Wesley Sneijder, bei Inter Mailand Mourinhos verlängerter Arm auf dem Platz, und von Zlatan Ibrahimovic.

Ibrahimovic: „Nach seinen Ansprachen pumpte das Adrenalin in uns…(…)“, für Mourinho, würde er, Ibra, sogar töten! Mein lieber Schwede, ein Glück kennen wir Ibrahimovics‘ Zuspitzungen…

Immer gehe es Mourinho, dem gelernter Sportlehrer, um Motivation und Zusammenhalt.

Gespannt wird man nun auf die Duelle in der Premier League zwischen „Mou“ und dem Rest der Welt blicken: es warten Jürgen Klopp, Pep Guardiola, Claudio Ranieri, Wenger und Antonio Conte (Chelsea).

Außerdem:  Bei Manchester United werden nun Ibrahimovic und Pogba alles für Mourinho geben. Gemeinsam haben sie das Ziel, wieder in die Champions-League zu kommen. Die Europa-League ist schließlich eine Nummer zu klein.

 

 

 

 

Veröffentlicht von

Giovanni Deriu

Jahrgang 1971, Vater, 2 Kinder, lebte lange Zeit in Asien; Dipl. Sozialpädagoge (FH) für Jugend- und Erwachsenenbildung, sowie Biographie-Arbeit. Außerdem: Industriekaufmann und gelernter Journalist. Schreibt regelmäßig für das RUND Magazin und FussballEuropa.com Fünf Jahre als Juniorentrainer tätig gewesen mit Jugendtrainer-Lizenz. In Hongkong die Junioren einer internationalen Soccer-Academy trainiert. Weiterhin als Scout (für Spiele und Spieler) unterwegs. Deriu analysiert für Spieler und Eltern die Spielerberater (und Agenturen), erstellt Profile und gibt Einschätzungen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert