FUSSBALLBÜCHER als Geschenkidee
Neymar senior über Pelé 2.0
Die Biographie des brasilianischen Wunderknaben ist als Dialog mit seinem Vater, der seine Profikarriere früh beenden musste, angelegt. Von Giovanni Deriu. www.rund-magazin.de
Die ganze (Fußball-)Welt nahm Anteil, als sich Neymar im Viertelfinale gegen Kolumbien verletzte. Warum das Schicksal des brasilianischen Wunderknaben so viele bewegte, kann man nur verstehen, wenn man einen Blick in die Biographie von Neymar da Silva Santos Junior, also Neymar Junior, wirft. Kurz, in einem von Beginn an eher mittelmäßig aufspielendem brasilianischen Team galt Neymar als „Heilsbringer“. Der Druck um das Team von Trainer Felipe Scolari war immens, doch als der brasilianischen Selecao quasi ihr Rückgrat brach, weinte nicht nur Neymar vor Schmerzen auf – er hatte durch Juan Zunigas krudes Foul einen Wirbelbruch erlitten. Fans in aller Welt ahnten, dass damit der brasilianischen Elf das Herzstück und die Kreativität verloren gegangen war.
Eines dürfte aber klar sein, auch mit einem Neymar Jr. im Team, hätte die Seleção das Desaster gegen Deutschland nicht verhindern können. Aber mit Neymars Verletzungs-Aus fehlte dem Spiel die Phantasie und das psychologische „Momentum“ – denn jeder Gegner, egal wie stark, hätte sich mit einem Neymar schlichtweg beschäftigen müssen. Neymar galt als nicht zu stoppen und nicht ausrechenbar auf dem Feld. Ein Foul Marke Zunigas hatte auch keiner auf dem Plan.
Glück im Unglück, Neymars Karriere wird nach einer Genesungsphase weiter gehen. Die Welt atmete auf.
Wie wurde Neymar wer er wurde, und warum nahm ganz Brasilien und die Fans weltweit so viel Anteil?
Kurz könnte man antworten, endlich sei ein weiterer Spieler und Ausnahmekönner da, der den Messis, Ronaldos und Bales Paroli bot. Und der vor allem, eher unkonventionell spielt. Seine Tricks und Dribblings so scheint es, sind „Bauchentscheidungen“.
Der Ball gehorcht Neymar. Und das begann schon ziemlich früh, wie Neymars Vater, namensgleich, Neymar Senior, im Buch „Ich bin Neymar – Gespräche zwischen Vater und Sohn“ (erschienen im riva-Verlag) schildert: „Als er drei Jahre alt war, bemerkte ich, dass Juninho die Bälle präzise zurückschoss …“. Für seinen Sohn sei der Ball kein gewöhnliches Spielzeug gewesen.
Der Vater selbst musste seine drittklassige Profikarriere früh verletzungsbedingt beenden und kümmerte sich fortan um seinen Sohn. Egal wie der Vater Neymar seinem Junior die Bälle zuspielte, der wiederum passte den Ball präzise zurück, und das beidfüßig. Irgendwann war das Haus auch voller Bälle, kleine wie große, Leder und Plastikbälle, ja auch mit Tennisbälle umdribbelte Neymar die Möbel und Stühle. Das Buch „Ich bin Neymar“ ist als Dialog zu lesen, Vater und Sohn schildern den Weg und das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Familie. In Deutschland würde solch ein Papa als „verbissen“ gelten, nicht so in Brasilien. Mit Vaters Worte und Übungen und den Glauben an Gott entstehn in Brasilien die wundersamsten Geschichten.
Neymar Junior sagt dann auch: „Alles was ich bin und was ich habe, verdanke ich meinen Eltern und Gott. Ich bin ein Glückskind, und mein Vater ist viel mehr als nur ein Vater.“ Er sei sein bester Freund und und auch mehr als Trainer oder nur als Manager – „Mein Vater ist mein Leben“.
Im Buch erfährt der Leser auch, dass nur wenige Monate nach der Geburt ein schrecklicher Unfall geschah. Neymars Eltern waren mit ihrem Baby zu Verwandten nach Santos unterwegs, als das Auto von einem anderen Wagen touchiert wurde, das Auto schlingerte und die Seitentür war eingedrückt. Aber wo war Neymar Junior? Panik brach aus, aber sie fanden Neymar Junior unter der Rückbank mit einem kleinen Schnitt am Kopf, daher das viele Blut. Ansonsten aber trug er keinen Schaden davon.
Spezialisten in der frühkindlichen Psychologie sprechen dennoch von bestimmten Erlebnissen, die im Unterbewusstsein abgespeichert werden. Unbewusstes Traumata. Bei den Eltern jedoch ganz bestimmt. So liest man aus dem Buch, einer früh angelegten Vater-Sohn-Biographie (wer hätte sonst Vater Neymar je kennengelernt?) heraus, dass auf Klein-Neymar noch mehr aufgepasst wurde. Der Vater wollte sich im Sohnemann verwirklichen – und das soll jetzt nicht negativ gewertet werden, sondern aus purer Liebe und Verantwortung. Dem Sohn solle es einfach besser gehen.
Der Sohn schaute seinem Vater bei etlichen Amateurspielen zu, verbrachte seine Zeit schon mit sechs Jahren auf Sportplätzen.
Santos und immer wieder der FC Santos. Mythen entstehen hier, und Brasilien wartete seit Jahrzehnten auf einen neuen, bitte ähnlichen, Pelé. Jedenfalls erinnert sich Neymar an Vaters Worte, er sei nicht nur Spieler sondern auch „Fan“ des Vereins.
Dass Neymar schon früh von Clubs und Scouts umworben wurde überrascht nicht. Und bevor der FC Barcelona um Neymar warb, sagte Neymar bereits Jahre zuvor den Königlichen von Real Madrid ab. Da war Neymar (geboren 1992) gerade erst 13, aber schon sehr erfolgreich. Nur was hilft alles Geld der Welt, wenn das Heimweh zu groß ist. Vater wie Berater entschieden – zurück nach Santos. Das sprach sich natürlich früh in der brasilianischen Fußballwelt herum.
Neymar wird glorifiziert. Als Kicker, wie als Mensch. Die Erkenntnis Neymars, entgegen jedes Auftretens als „Paradiesvogel“ in Hip-Hop-Klamotten oder verwegenen Haarstyles liest sich geerdet: „Ich wurde als einfacher Mensch geboren und werde auch als solcher sterben. Ich liebe einfaches Essen – richtiges brasilianisches Essen: Reis, Bohnen, Pommes Frites und geröstetes Maniokmehl. Braucht man noch mehr?“, und liefert sogleich die Antwort, Ja, Kekse und Eis.
Bei seinem Äußeren liebe er die Abwechslung und stehe auch dazu. Auf Youtube kann man einen tanzenden, singenden und feixenden Neymar in der Spielerkabine sehen. Sein (strenger aber fürsorglicher) Vater drückte da alle Augen zu, denn das Credo lautete, dass man einen guten Spieler auf dem Platz erkennt
Dass Neymar Junior mit noch nicht einmal 20 erheblich dazu beitrug die Copa Libertadores, den Südamerika-Pokal, für Santos zu erringen, er schoss gar ein entscheidendes Tor, und dieser Erfolg nach 48 Jahren Durststrecke – hat Neymar endgültig zum Kultspieler in Brasilien werden lassen. Ein Erfolg, so der Vater rückblickend, den man in alle Ewigkeit feiern kann. Ein „Pelé 2.0“ war geboren.
Momentan ist Neymar ein Reha-Patient, aber er wird wieder kommen, und seine Fans, nicht nur in der katalanischen Metropole Barcelona, fiebern diesem Moment entgegen. So gesehn wurde Neymars Karriere unsanft unterbrochen.
Neymar weiß zwar, dass Show und Business zum Fußball gehören, letztendlich möchte er aber nur „Spaß haben und anderen Freude bereiten. Ich will fröhlich sein, herumlaufen, spielen, dribbeln und Tore schießen. Ich will ein Junge sein, der alles für seinen Traum gegeben hat.“ Die nächste Weltmeisterschaft kommt für ihn bestimmt, und hoffen wir für Neymar Junior, dass nicht wieder irgendein „Zúniga“ so rüde gegen seinen Wunsch, Tore zu schießen, vorgeht. Es wäre vorbei mit der Fröhlichkeit.Giovanni Deriu, RUND-Autor, analysiert Biographien.Buch-Tipp: „ICH BIN NEYMAR – Gespräche zwischen Vater und Sohn“; erschienen im riva-Verlag