Die AS Roma hat sich im letzten Spiel mit Totti doch (noch) als Vize-Meister knapp vor dem SSC Neapel für die Champions-League qualifiziert. Aber das, so schien es, war beinahe Nebensache. Fast 80.000 Tifosi bereiteten ihrem Idol und „Gladiator“ Francesco Totti einen würdevollen Abschied. Unzählige Fans trugen ein Trikot, special edition, mit der „10“. Egal welches Fanlager, alle verneigen sich vor einem Vollblutfußballer und Charismatiker. Einem Mann, der nie nach mehr strebte, außer die Fans und seine Familie glücklich zu machen. Einem echten Typen, der manchmal von anderen gern durch den Kakao gezogen wurde, der aber auch immer über sich selbst lachen konnte. Gleich drei Witzbücher á la Totti brachte der Mittelfeldregisseur heraus. Totti hat in seinen knapp 28 Jahren in Rom, in der Serie A, alles erlebt. Zudem wurde Totti 2006 sogar Weltmeister mit der Squadra Azzurra in Deutschland. Was junge Talente von einem Francesco Totti lernen können? Talent allein reicht nicht aus, viel mehr kommt es auf Demut, Tiefe und Fleiß an. Lebt man mit sich selbst in Einklang, bleibt der Erfolg ein treuer Begleiter. Hier nun der Brief im Original weit vor dem emotionalen Abschied gestern, bei dem Groß und Klein Tränen vergossen:
Also einen Brief verlas Totti gestern vor dem großen Publikum,
den anderen an die AS Roma, veröffentlichte der Star der römischen Wölfe bereits Mitte Mai:
„Vor 27 Jahren klopfte jemand an die Tür unserer Wohnung in Rom. Fiorella, meine Mutter, öffnete die Tür. Die Herren, die vor der Tür standen, hätten meine Karriere auf immer verändern können. Die Herren stellten sich als Sportmanager vor, aber nicht von Roma: sie trugen beide rot-schwarze Trainingsanzüge. Sie kamen vom AC Milan, und wollten unbedingt, dass ich Teil ihrer Mannschaft werden sollte. Koste es, was es wolle.
Meine Mutter hob die Arme zum Himmel und was glaubt ihr, was sie den Herren sagte? Sie meinte nur, für einen Jungen aus Rom gäbe es nur die Möglichkeit, sich zwischen den gelbroten der AS Roma und den hellblauen von Lazio zu entscheiden. Und in unserer Familie gab es in Wirklichkeit nur eine Wahl. Leider konnte ich meinen Großvater nicht mehr kennenlernen, er starb noch, als ich ein kleines Kind war. Aber er hat uns etwas Wertvolles hinterlassen. Ein Glück für mich, dass mein Opa Gianluca ein glühender Roma-Fan gewesen ist, denn er hat diese Liebe zur Roma an meinen Vater weiter gegeben, und der hat sie an mich und meinen Bruder vermittelt. Die Liebe zur Roma war also vorbestimmt. Für uns war die Roma immer mehr als nur ein Fußball-Club, sie war immer Teil der Familie, unseres Blutes und unserer Seele.
Wir hatten gar nicht die Möglichkeit, so viele Spiele der Roma zu sehen, denn damals in den 80er-Jahren wurden nicht so viele Spiele live im Fernsehen übertragen.
Als sieben Jahre alt wurde, kaufte mein Vater Tickets für ein Heimspiel der „Wölfe“ im Stadion „Olimpico“.
Noch heute kann ich, wenn ich die Augen schließe, diese Atmosphäre nacherleben von damals. Die Farben, die Gesänge, der Geruch der Böller, die die Fans knallen ließen. Ich war ein aufgeweckter Junge, und allein zu sehen, und in unter den anderen Roma-Fans zu stehen, hat in mir irgendetwas ausgelöst, es hat mich angesteckt, ich kann es nicht richtig beschreiben… es war einfach „bellissimo“.
Ich glaube nicht, dass mich jemals irgendwer in unserem Quartier San Giovanni ohne Ball gesehen hat. Wir spielte wirklich überall Fußball. Überall, hinter der Kirche, auf den Straßen und in den Gassen.
Für mich wurde es aber mehr als nur ein Spiel. Ich wollte den Fußball unbedingt zum Beruf machen. Ich begann also in kleinen Jugendmannschaften, und in meinem Zimmer hingen überall ausgeschnittene Bilder von Giannini, dem früheren Roma-Kapitän. Er war mein Idol, weil er aus Rom kam, genauso wie ich, wie wir alle.
Mit 13 Jahren also hörte ich diese Männer an die Tür klopfen, und die fragten, ob ich also ein Rot-schwarzer, rosso-nero, werden wollte. Immerhin eine Möglichkeit, um in einem großen Club Karriere zu machen, das konnte ich natürlich nicht allein entscheiden. Zuhause war Mamma der „Boss“, wie alle Mütter eigentlich, und sie ist es noch heute. Und aus Angst, mir könne draußen etwas zustoßen, rief sie laut aus „Nein, nein, tut mir leid.“ Ende der Diskussion, und die Milan-Verantwortlichen gingen wieder.
Meinen ersten Transfer hatte also der „Boss“ verhindert. Mein Vater brachte also mich und meinen Bruder zu den Spielen am Wochenende, und von Montag bis Freitag hatte meine Mutter das Sagen und die Kontrolle über uns. Ich muss nicht erwähnen, was ein Wechsel zum AC Milan bedeutet hätte – auf einen Schlag hätten wir viel Geld gehabt, aber meine Mutter lehrt mich eines, und ich erinnere mich als sei es gestern gewesen: Das Wichtigste im Leben ist das eigene Zuhause.
Nur ein paar Wochen später untebreitete mir die Roma am Rande eines Jugendspiels ein Angebot. Ich wurde also ein Gelb-Roter!
Als hätte sie es gespürt. Sie hat mir immer viel geholfen, mich unterstützt, wo es nur ging, viele Opfer gebracht, nur damit ich kein Training verpassen sollte.
Sie wartete oft zwei, drei, ja sogar manchmal vier Stunden bei jedem Wetter auf mich, nur damit ich meinen Traum leben konnte.
Als ich das ersta Mal zum Match im Bus fuhr, von Trigoria ins „Olimpico“, dachte ich noch immer, ich würde träumen, aber ich war voller Adrenalin, so aufgeregt war ich. Und die Roma-tifosi sind ganz besonders, stolz und sie fordern viel von einem, der das gelb-rote Trikot trägt. Sie verzeihen zwar Fehler, aber zu viel Platz sollten für Fehler nicht sein.
Als ich das erste Mal tatsächlich für die Roma ins Stadion auflief war ich erfüllt vom Stolz, für meine Stadt, meinen Opa und für meine Familie zu spielen.
In den 25 Jahren ist dieses Gefühl – dieses Privileg – nie vergangen.
Klar, Fehler habe ich auch gemacht. Und einmal, vor ca. 12 Jahren überlegte ich nur kurz, das tolle Angebot von Real Madrid anzunehmen. Es war natürlich eine Bestätigung meiner Leistungen. Ich habe mich mit meiner Familie beraten, und mit dem Präsidenten gesprochen, wie wäre es wohl dort in Madrid gewesen, in einer der stärksten Mannschaften der Welt, aber letztendlich erinnerte ich mich wieder an die Worte meiner Mutter, „Dein Zuhause bedeutet Alles“.
In meinen 39 Jahren bisher war Roma mein Zuhause, meine Heimat. Die AS Roma als Club sowieso in den 25 Jahren.
Ich hoffe, auch etwas zurück gegeben zu haben, ich war stolz für diese Farben zu spielen, und ich hoffe, ihr seid auch ein bisschen stolz darauf, was wir erreichten, wir wurden Meister und erreichten auch die Champions-League.
Ihr könnt mich vielleicht als Einfaltspinsel oder Gewohnheitstier definieren, ich habe mein Zuhause erst verlassen, als ich meine Frau, Ilary, heiratete.
Wenn ich so über die zu schnell vergangene Zeit nachdenke, weiß ich schon jetzt, wie mir die Gewohnheit des Täglichen, die Routine und Rituale fehlen werden. Die unzähligen Trainingsstunden, die Gespräche und Blödeleien mit den Kameraden in der Kabine, oder ganz besonders, den täglichen Kaffee mit meinen Freunden und Sportskameraden.
Aber wenn ich eines Tages vielleicht als Trainer zurück kehren sollte, dann werde ich all diese Dinge wieder genießen.
Viele fragen mich immer wieder, weshalb hast Du Dein ganzes Leben in Rom verbracht?
Ich sage immer wieder,
Roma repräsentiert meine Familie, meine Freunde, und die Leute, die ich liebe.
Roma ist das Meer, die Berge und die Monumente. Roma, das ist ganz klar, sind auch die Römer. Roma ist das Gelb und das Rot. Roma ist, für mich, die Welt.
Dieser Club und diese Stadt waren immer mein ganzes Leben. Immer.
Und damit brachte Totti bodenständig und dennoch sehr emotional alles auf den Punkt. Ein ganz Großer des Italienischen und Europäischen Fußballs verlässt die Bühne. Sehen werden wir ihn aber ganz bestimmt noch in anderer Funktion.
Zum Nachschauen und für Gänsehaut-Momente:
https://www.youtube.com/watch?v=G3x4WnhDOp8
https://www.youtube.com/watch?v=rLYgJnDUZ4c