Zwischen Seriosität und Märchengeschichten

Buch-Rezension: Die Paten der Liga
Zwischen Lügen und Seriosität – Spielerberater und ihre Geschäfte

BILD-Reporter Kai Psotta hat sich mit seinem Buch (Die Paten der Liga; Piper-Verlag) unter Beratern, oder solchen, die sich selbst so nennen, bestimmt keine Freunde gemacht. Das war bestimmt auch nicht sein Anliegen – der Sportjournalist untersuchte vielmehr eine Branche, die immer stärker in Verruf kommt, nach Ablösesummen und Vermittlungsprovisionen zu gieren, ohne dabei wirklich die betreuten Spieler im Auge zu haben – geschweige denn, zu betreuen oder ehrlich zu beraten! Denn, ein Gewinn oder eine satte Vermittlungsgebühr winkt oft schon bei eher mittelmäßigen Drittligaspielern.

Es will etwas heißen, so im Buch von Kai Psotta, wenn selbst der angesehene Christoph Schickhardt, Anwalt und Sportrechtler aus Ludwigsburg, nichts „schönreden“ mag: „Es tummeln sich in diesem Geschäft Scharlatane der schlimmsten Kategorie, aber auch seriöse Profis.“ Nur 25 Prozent würden allerdings gut beraten. Andere 40 Prozent eher schlecht – und der Rest ist unseriös. Der ehemalige Profi Thomas Kroth, zudem Kenner der japanischen Fußballszene fasst es so zusammen, die Branche sei „nicht per se schmutzig, aber im Einzelfall versaut.“ Wie überall, wo es um viel Geld – und Show gehe. Lügen, Neid und Missgunst, kämen in der Berater-Szene öfter zum Vorschein als in anderen Berufszweigen.
Journalistenkollege Kai Psotta dankt am Ende seines Buches auch Leuten, die ihm halfen und kooperierten, das Buch zu dem zu machen, was es ist: lesbar und interessant. Ein paar Vertretern aus der Beraterbranche dankt Psotta, zum Beispiel, Djuro Ivanisevic, Bernd Hoffmann, oder Ingo Haspel und Dr. Michael Becker, um nur einige zu nennen. Andere wiederum, und das waren einige, wollten nicht genannt werden im Buch. Spieler, Trainer und Berater. Im Schutze der Anonymität drehen sie wohl weiter am großen Fußballrad der Träume. Bei manchen hat es auch etwas mit Integrität zu tun. Psotta selbst, als BILD-Reporter, bedeutet für Clubs wie Berater, Fluch und Segen. PR ist für alle Partner wichtig.
Oft steht das Wichtige am Ende, das Fazit, so Psotta im Nachwort:
„Nichts ist spannender und emotionaler als das Transfergeschäft mit all seinen lauten und leisen Nebengeräuschen und geheimen Aktivitäten.“ Und immer mittendrin: die Spielerberater! Sie ziehen die Fäden im Hintergrund. Dass ihr Ruf schlimmer sei, als der von Immobilienverkäufern und Autoverkäufern zusammen, hält Spieler und Eltern, aber auch Clubmanager nicht unbedingt davon ab, mit ihnen „Geschäfte“ abzuwickeln. Es ist vielleicht auch ein Jammer, dass die ganz Guten der Branche mit hineingezogen werden – andererseits heben sie sich von den Unseriösen aber auch erheblich ab.

(Anm. in eigener Sache: Dazu dient dieser Blog, und diese Plattform, für Eltern und Spieler die seriösen Berater herauszufiltern)

Waren es früher, in den 80ern und 90ern, Manager und Berater wie „der schwarze Abt“ (wegen seines Mantels und seiner ruhigen Art) Klaus Gerster – übrigens immer noch im Business, und früher Berater von Andy Möller – oder Holger Klemme (managte die Allofs-Brüder sowie Rudi Völler), genauso Norbert Pflippen, mit 64 vor vier Jahren nach langer Krankheit verstorben (Er war mit Netzer, Matthäus, Effenberg, Scholl und Podolski, ja sogar mit Boxer Henry Maske als Kunden, einer der Größten seiner Zunft), so sind es heute in Deutschland und Europa eher die Kon Schramms (der lernte das Handwerk von Pflippen, und warb gar Spieler ab), Dirk Hebels, Struths und Haspels. Man könnte etliche mehr aufzählen, z. B. Uli Ferber aus Großaspach mit seiner Agentur und bekannt als Berater von Mario Gomez. Volker Struth und Dirk Hebel, mit den Weltmeistern Götze und Kroos im Portfolio, sowie dem umworbenen Marco Reus, sind gefragte Berater – aber Kritik blies ihnen dennoch nach der „Führerschein-Affäre“ des Borussen-Stürmers ins Gesicht. Was ist ein Berater Wert, wenn er eigentlich nicht das Wesentlichste seines Schützlings kennt, z. B. Charakterzüge, Lifestyle und Bodenständigkeit, außer dessen Marktwert (wie dieser zustande kommt, wird in einem Extra-Kapitel in diesem Blog erklärt) und sein Jahreseinkommen?

Michael Ballacks Berater, Dr. Michael Becker, ist überzeugt, „Jeder Spieler hat den Berater, den er verdient.“ Jeder (Spieler-)Typ ist anders, und so stellt Reporter Kai Psotta dann im Buch die rhetorische Frage, nur, welchen Typ Berater verdient jemand wie Ibrahimovic? Immerhin ein Welt-Star mit einem Ego so groß wie der Eiffelturm. Auf Seite 21 des Buches, wird beschrieben, wie Ibrahimovic auf den umtriebigen, leicht dicklichen, Mino Raiola traf. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass Raiola die Serie A im Griff hat. Als „Mafioso“ verschrien, wird man ihm aber allein mit dieser Beschreibung nicht gerecht – denn er ist sprachgewandt (mindestens sieben Sprachen, auch Deutsch, weil in Holland aufgewachsen, spricht der gebürtige Italiener), und hat seine Stars im Griff. Zudem ein geschultes Auge für Talente. Die Tageszeitung „La Repubblica“ beschrieb ihn als >>viel mehr und viel gefährlicher als ein Berater.<<

Die Stars schätzen Raiola, weil er ihnen auf Augenhöhe begegnet und nicht (anbiedernd) nach dem Mund redet. Ibrahimovic kündigte Raiola in Paris bei St. Germain so an: „Nun haben wir Frankreichs Hauptstadt neben der Mona Lisa eine zweite Attraktion beschert.“ Raiola ist auch mit dem BVB in ständigem Austausch, Mkhitaryans Karriere plant auch Mino Raiola.
Kai Psotta beschreibt in seinem Buch etliche haarsträubende aber auch sachliche Gegebenheiten, auch Eltern von Stars kommen zu Wort, und Berater selbst beschreiben verschiedene Elternhäuser.

Ein Berater kommt im Buch zu Wort, allerdings (auch) anonym: „Ich finde es nicht verwerflich, dass den Eltern Geld geboten wird. Sich ein Kind zu kaufen ist ein Geschäftsmodell. (…) Das Kind kann ein Geldsegen sein“, heißt es im Text weiter – und zeigt auch das ganze Ausmaß, wie bereits um Juniorenspieler gebuhlt wird. Leicht anfällig sind eben Familien, aus prekären Verhältnissen. Da werden schon einmal „Märchen“ erzählt.
Ein gelungenes Buch zwar, mit einem Leitfaden, wie man seriöse von unseriösen Beratern trennen kann, aber eben doch ein Buch, dass den Abgrund der Branche aufzeigt. Geld ist Alles, Zeit hat kaum einer – und wo sind die Berater bei schweren Verletzungen oder beim Karriereende? José Mourinho weiß, wozu Berater da sein sollten, „Sie sorgen dafür, dass es uns auch nach der Karriere gut geht.“
Braucht der (Junioren-)Spieler wirklich einen Berater? Oder reicht die Familie, ein guter Anwalt und gesunder Menschenverstand?
Diese Antworten muss jeder talentierte Spieler selbst finden, im Kreise seiner Familie. Es geht immer über Leistung – manchmal holt man sich mit einem Berater auch einen Egoisten und Feind ins eigene Wohnzimmer.

Giovanni Deriu

Veröffentlicht von

Giovanni Deriu

Jahrgang 1971, Vater, 2 Kinder, lebte lange Zeit in Asien; Dipl. Sozialpädagoge (FH) für Jugend- und Erwachsenenbildung, sowie Biographie-Arbeit. Außerdem: Industriekaufmann und gelernter Journalist. Schreibt regelmäßig für das RUND Magazin und FussballEuropa.com Fünf Jahre als Juniorentrainer tätig gewesen mit Jugendtrainer-Lizenz. In Hongkong die Junioren einer internationalen Soccer-Academy trainiert. Weiterhin als Scout (für Spiele und Spieler) unterwegs. Deriu analysiert für Spieler und Eltern die Spielerberater (und Agenturen), erstellt Profile und gibt Einschätzungen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert