Berlusconis Intimus, Adriano Galliani: Wenn einer wirklich weiß, wie das Fußball-Business funktioniert, dann er! Der Charakterkopf des AC Milan sowie der Serie A, hielt einen Vortrag an der Uni Varese – zur Industrie des Fußballs

Adriano Galliani wurde vom normalen Fan zum Geschäftsführer des AC Milan. Heute gibt er offen zu, so wie beim Gastvortrag an der Universität Cattaneo, der Region Varese, dass er vom Glück und von der Muse geküsst wurde – denn er war ein ganz normaler Produktmanager von elektronischen Artikeln, doch seine Freundschaft zum Selfmade-Millionär(ja, Milliardär) Silvio Berlusconi, machte auch Galliani zum Kopf des italienischen Fußballs. Kurz, Galliani und Berlusconi waren fast drei Jahrzehnte lang wie siamesische Zwillinge, und feierten mit dem AC Mailand die größten Erfolge. Der AC ist zu einer „Brandmarke“ geworden – und diese ist weltweit bekannt. Ganz Ohr waren Dozenten und Studenten der Fakultät für Sportmanagement und Ökonomie, als Adriano Galliani über den Fußball als Business („Der Fußball zwischen Krise und Entwicklung“) sprach.

Darüber, dass der Direktor der Uni Varese ein Inter-Fan ist, schmunzelte Galliani souverän, schließlich kennt man sich – und Adriano Galliani sagte, in erster Linie sei er Mailänder, danach AC Milan-Tifoso, und er freue sich, dass eine Stadt wie Mailand eben zwei Topclubs habe.

Aus dem Stegreif begann Galliani seine Rede vor den Studenten in der vollen Aula der Fakultät. Seine Geschichte, sei ganz eng mit der Geschichte des AC Milan verbunden, und diese startete exakt am 20. Februar 1986, als Silvio Berlusconi beschloss, den AC Mailand zu kaufen. Davor nämlich hatte er als Geschäftsinhaber von Elettronica Industriale bereits Berlusconi kennengelernt, denn Berlusconi kaufte Immobilien, erfand zeitgleich das Privatfernsehen, und stattete alle Wohnungen mit Satellitenschüsseln aus – Galliani wiederum verkaufte damals Vorrichtungen zum Empfang von TV-Signalen. (Wir sprechen hier von den bekannten frühen 80er-Jahren, als die Fernsehkanäle Tele5, Rete Monte Carlo, etc. entstanden).

Der Kontakt war also da, es entwickelte sich Freundschaft, und Berlusconi kaufte eben 1986 den AC Mailand, der zwar bereits eine Geschichte hatte, aber auch zweimal zwangs-absteigen musste in die Serie B.

Vom einfachen Fan und Manager, so erzählt Galliani rückblickend, wurde ich von Berlusconi „plötzlich zum Geschäftsführer“ des Bereichs Fußball benannt, und  später gar Vize-Präsident. Berlusconi stellte (s)ein Geschäfts-Team der neuen Milan-AG zusammen, und war der Meinung, man brauche Leute, die noch nicht die „Ticks und Gewohnheiten“ aus der Branche hätten – also nicht aus der Fußballbranche! Berlusconi musste sich auf sein Personal (das auch oft in großer Abhängigkeit zu ihm stand) verlassen können.

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(Galliani bei der Präsentation des Themas „Die Industrie des Fußballs“ an der Universität Varese)

 

Galliani musste also nicht lang überlegen, um an diesem (Lebens-)Projekt teilzunehmen. Milans Erfolge lagen, wie die von Inter Mailand, so Galliani vor den Studenten, eher in der Vergangenheit. Aber, auch heute noch müsse sich die Stadt Mailand mit ihren Champions-League-Trophäen nicht verstecken, mit zehn sei Mailand gut vertreten gegenüber Madrid an erster Stelle mit ihren 11 Titeln (Landesmeister-Cup und Champions-League).

Doch die erfolgreiche Geschichte Milans begann nicht, wie viele denken, mit dem Kauf von „Gullit, van Basten und Rijkaard“, sondern in einer hochdramatischen Situation – AC Mailand war quasi kaum handlungsfähig, erzählt Galliani. Der glatzköpfige Milan-Geschäftsführer schmunzelt und erzählt den erstaunten Zuhörern, dass seine erste Amtshandlung unter Berlusconi darin bestand, erst einmal „offene Rechnungen beim Apotheker, bei Ärzten sowie Metzgern und in Bäckereien“ zu begleichen, die ein paar Monate einfach liegen geblieben waren. Die Gläubiger warteten auf ihr Geld, täglich gingen Mahnungen in der Geschäftsstelle ein.

Die ersten zwei Jahre standen ganz im Zeichen der Konsolidierung. Stückweise wurde der AC Milan-Kader zusammengestellt. Ab dem 01.07.1987 begann dann wirklich die „Mission“ Berlusconis. Er schwor auf einer Hauptversammlung alle Mitglieder und Aktionäre sowie Spieler und Beschäftigte, von der Sekretärin bis zum Zeugwart, auf seine Ziele ein, die hießen: „Wir müssen in der kommenden Saison die Meisterschaft gewinnen, nur dann können wir im Landesmeister-Cup teilnehmen, und den gewinnen wir auch, denn nur dann können wir um den Weltpokal der Clubs spielen…“ Überall breitete sich Gelächter und Kopfschütteln bei den Journalisten aus. Der AC Milan war gerade im Vorjahr Siebter geworden. Aber es kam alles genauso, wie es Berlusconi vorausgesagt hatte. Damals durfte wohlgemerkt nur der Meister an der Champions-League teilnehmen. Galliani erinnert sich bis heute an ein Zitat des Eigners und Freundes Berlusconi, angelehnt an „Casanova“, und Galliani erwähnt den Satz zweimal:

„Nur ein Mann der glaubt, der wirklich glaubt, kann ein König werden!“

Es begann eine der erfolgreichsten Fußballstories Europas, die je geschrieben wurden – Galliani meint, der AC Milan „galoppierte von Erfolg zu Erfolg“, und ganz eng hängen diese Erfolge mit Berlusconi und Trainer Arrigo Sacchi, sowie später Fabio Capello und Carlo Ancelotti zusammen, der nicht nur als Trainer, sondern auch als Spieler die größte Ära und Erfolgsgeschichte Mailands mitprägte.

Immerhin gab Galliani beim Vortrag auch gleich zu Beginn der Story offen zu,

„ein Glück gab es damals noch kein Financial Fairplay.“

Soll heißen, Berlusconi nahm als Investor erst einmal viel Geld in die Hand, um den Club wieder-aufzubauen, oder besser, wieder-zu-beleben. Frei nach der amerikanischen Art, „you have to spend money to make money.“

Der 72-jährige Lombarde Galliani, ein absoluter Macher, spricht gekonnt aus dem Eff-Eff, man merkt in jedem Wort, wie sehr der AC Milan mit ihm verwoben ist. In knapp 30 Jahren gewann der AC Milan national und international 28 Trophäen.

Außerdem ist Galliani ein Mann des Fußballs, der aber auch als Strippenzieher bekannt wurde, ausgerechnet während der Calciopoli-Krise um Juventus und Direttore Luciano Moggi. Viel nachweisen konnte man Galliani nicht, aber natürlich war der AC Milan-Geschäftsführer, bzw. Vize-Präsident in einem Konflikt, als er eine zeitlang nicht nur dem Milan-Vorstand angehörte, sondern auch noch Fußball-Liga-Präsident der Proficlubs war (einer Institution unter dem italienischen Fußballverband, in etwa, wie die DFL, in Deutschland). Im Zuge von Calciopoli gab Galliani diesen Posten auf. Geräuschlos, meist mit Sportdirektor und Scout Braida, fädelt(e) Galliani lieber Transfers ein. Es gelangen ihm große Deals (Ibrahimovic wurde beispielsweise einst von Barcelona verpflichtet; Ronaldinho und sogar Beckham spielten für Milan)

Der Fußball war also schon immer ein „Geschäft für sich“, zu vergleichen mit, ja womit eigentlich?

Galliani holt aus, normale Tätigkeiten sowie Managerpositionen in der Wirtschaft seien einfacher als die, die den Fußball ausmachen. Einen Fußballclub zu führen sei schwerer und weniger berechenbar. Er erklärt es genauer, und tippt auf das Mikrophon vor ihm, „Sie sind Produktmanager und haben dieses Produkt, das Mikrophon, oder auch ein anderes Produkt, und sie produzieren und verkaufen eben dieses Produkt…“, beim Fußball dagegen, ebenfalls ein „Produkt“, ist es eben nicht so! Überall kritische Gesichter im Saal.

Galliani schmunzelt und führt weiter aus: „Im Fußball eben nicht! Der Fußball ist ein Produkt, oder sie arbeiten am Produkt Fußball, und verkaufen dann das Produkt des Produkts…“ Als Präsident oder Geschäftsführer eines Fußballclubs müssen sie ihr Produkt sehr gut kennen, und an wen sie Verantwortungen für dieses Produkt übertragen. Es gibt viele Teilprodukte, was verkaufen wir im Fußball, und speziell als Club? Galliani beantwortet die Frage gleich selbst, und sagt, man verkauft die einzelnen Fußballspiele. Und viele Komponenten hängen daran, wie man einzelne Spiele als Produkt gut und erfolgreich gestaltet.

Galliani vergleicht den Fußball vom Produkt her mit dem Kino, mit einem Film. Er schaut in überraschte Gesichter. Ja, führt Galliani aus, Der Club-Geschäftsführer ist wie ein Filme-Produzent. Ein Film dauert oft so lang wie ein Match, circa 90 Minuten.

Ein Film oder ein Fußballmatch wird an die Fernsehsender „verkauft“, Pay-TV, Free-TV, der Produzent muss also „bravo“ sein, sehr gut sein, nämlich, um für den Film „den richtigen Regisseur und die richtigen Schauspieler zum richtigen Drehbuch“ zu finden. Der Regisseur ist wie der Trainer. Also muss der Präsident und Clubinhaber, einen guten Trainer finden, und die richtigen Spieler einkaufen. Man habe schon alles erlebt, so Galliani, der auch in der Welt des Kinos Zuhause ist, da er früher auch für Berlusconis Fernsehsender Filme einkaufte. Es gäbe eben Filme, die mit wenig Geld sehr gut geworden sind, und schlechte Filme, die sehr viel Geld gekostet haben. Einleuchtend.

So ist es auch im Fußball, dass man mit vielen Investitionen eben nicht immer starke Mannschaften erhält. Mit Milan aber, so Adriano Galliani, hatten sie (fast) immer Glück, das Produkt „AC Milan“ wurde auch auf Grund der internationalen Spiele, wie z. B. im Europapokal, weltweit gefragt, teils auf allen Kontinenten. „Mister“ Sacchi hatte den Fußball revolutioniert, und jeder wollte attraktiven Fußball à la Milan sehen. Fußball also zur Prime-Time, wie gute Filme eben, meint Galliani.

Also wurde der „AC Milan“ bewusst über „puren Kommerz“, so Galliani, zu einer Marke ausgebaut. Und, so sagt der Geschäftsführer souverän, weil wir viel Erfahrung im Bereich des Marketing und Advertising hatten, konnten wir den AC Milan immer gut platzieren und positionieren. Mit Wir meint Galliani alle Mitstreiter, die den AC Milan groß machten.

Er weist nochmals daraufhin, und hebt die Finger zum Aufzählen an die Studenten, „Das Produkt Fußball ist nur etwas für Generalisten unter den Managern!“ Man müsse, erstens, den Fußball mögen (die einfachste Voraussetzung). Zweitens, viel Ahnung von einigen Bereichen haben, Ökonomie, Sportmanagement, Von Fußball- und Fernsehrechten sowieso. Als Club-Inhaber, Mäzen und quasi Produzent, müsse man entweder von allen Bereichen Ahnung haben, oder die richtigen Leute „einkaufen“. Die Atmosphäre im Club muss passen.

Ein kleiner Ausflug führt Galliani zum Vergleich der Ligen in Italien, Deutschland, Spanien und England, und er fasst kurz zusammen, dass zwar England und Deutschland überall gelobt würden, aber man beachte zu wenig, dass „Deutschland auch ein großes Land mit über 80 Millionen Einwohnern“, und damit ein viel größerer Markt vorhanden sei. Dass die Arenen moderner geworden sind, gibt Galliani zu, aber Italien habe viel mehr Pay-TV-Zuschauer, weil Italien nach wie vor ein „Fußballland“ sei – Ein Stadion könne man nur in eine „neuartige Arena“ umbauen, wenn öffentliche Gelder oder Olympia-Subventionen fließen würden, hält Galliani fest. Nur Juventus sei eben in der glücklichen Lage gewesen, das JUVENTUS-Stadium aus eigener Kraft zu bauen, aber sie hätten auch gut gespart über die Jahre, und das Olympia- oder Stadion „Delle Alpi“, hätten Juventus nie etwas gekostet. Er gönne dem Rekordmeister Juve dessen Erfolg. Insgesamt, so Galliani, sei es aber teilweise wie bei den Filmen, auch Fußballspiele würden im Internet angeschaut und verfolgt, irgendwo unterwegs. Filme werden auch herunter geladen, nicht alle gehen in die Kinos.

Zurück zum Fußball als Business und Industriezweig, Galliani, „Mister AC Mailand“, erklärt, dass der Erfolg und die Finanzierung eines Clubs für gewöhnlich stets von den Resultaten des Teams abhängig sei. Den „ersten drei Teams in der Tabelle das Meiste“, den unteren Clubs und Absteigern „dann plötzlich fast gar nichts…“. Wenn für die kommende Saison zig Millionen fehlen, aus den Fernserechten, und aus anderen Angeboten, dann schlägt sich das sofort auf zukünftige Planungen nieder. Nicht zu unterschlagen wäre die Zunahme und Wichtigkeit von Merchandising.

Deshalb müsse man als „Generalmanager“ (engl. Bezeichnung verwendet) oder Sportdirektor eines Clubs immer beachten, wie man das Team, aber den Club insgesamt aufstellt. Der Club müsse immer, auch um unabhängig vom kurzfristigen Erfolg oder von Krisen zu werden, „Appetit machen“, die Mehrheit der Fans und interessierten Leute müssen Geschmack am AC Milan haben. Man verkaufe auch „Emotionen“. Und, so fügte Galliani hinzu, der AC Milan würde immer unter den ersten drei Begriffen weltweit genannt, wenn Menschen gefagt würden, was ihnen zu Italien einfällt! „An erster Stelle, Pizza und Pasta, dann immer wieder die Mafia, und danach kommen der AC Mailand oder der Papst…“,

es darf gelacht werden – aber Berlusconis administratives Team hat schon immer eigene Statistiken geführt und publiziert.

Zum Schluss richtet Galliani noch eindringliche wie motivierende Worte an die Studenten und ggf. zukünftigen Fußball-Manager:

„Wichtig ist immer, glauben Sie mir, dass Sie Spaß bei Ihrer Arbeit haben, ich bezeichne mich als wirklich glücklichen Mann. Der Fußball war immer meine Passion, und ich konnte meine Leidenschaft mit meinem Beruf verbinden. Freude und Spaß sind aber immer wichtig, egal wo sie später tätig sein werden. Wenn Sie nicht mit Freude bei der Arbeit sind, werden sie auch nie ein glücklicher Mann sein…“

Viel Applaus am Ende für diese recht starke, interessante und amüsante Rede.

 

galliani3(Adriano Galliani im hauseigenen

„AC Milan-Channel“)

 

 

 

 

Veröffentlicht von

Giovanni Deriu

Jahrgang 1971, Vater, 2 Kinder, lebte lange Zeit in Asien; Dipl. Sozialpädagoge (FH) für Jugend- und Erwachsenenbildung, sowie Biographie-Arbeit. Außerdem: Industriekaufmann und gelernter Journalist. Schreibt regelmäßig für das RUND Magazin und FussballEuropa.com Fünf Jahre als Juniorentrainer tätig gewesen mit Jugendtrainer-Lizenz. In Hongkong die Junioren einer internationalen Soccer-Academy trainiert. Weiterhin als Scout (für Spiele und Spieler) unterwegs. Deriu analysiert für Spieler und Eltern die Spielerberater (und Agenturen), erstellt Profile und gibt Einschätzungen.

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