Der Fußball und die mentale Gesundheit: Nils Petersen spricht offen über seine psychische Krisen-Episode – und hilft dabei anderen, besser zu reflektieren, was gut tut, oder was das Seelenleben so aushalten muss! Ein Glück kein Tabuthema mehr

Irgendwie verwundert solch eine Meldung, wie bei der WELT über den Spieler und vor kurzem noch aktiven Fußballprofi, Nils Petersen, nicht mehr https://www.welt.de/sport/fussball/bundesliga/article246501778/Nils-Petersen-Dauerte-eineinhalb-Jahre-dass-ich-ohne-Therapie-zurechtkam.html – und dennoch ist man dann überrascht, wenn man über diese „Probleme“ im Nachhinein erfährt, und welch Kraft sie dem Spieler geraubt haben. Wichtig ist, dass man darüber offen spricht, und das tut Nils Petersen, den ich stets (aus der Entfernung eines Fans und Beobachters) als sehr ausgeglichenen und fokussierten Stürmer wahrgenommen hatte, dann auch. Offenheit ist Alles, auch um anderen Mut zu machen, über mentale Probleme, bis hin zu Depressionen, zu reden, ja, sich professionelle Hilfe zu suchen.

Was stets, und besonders bei Sportlern und Fußballprofis überrascht?

Nun, der (all)gemeine Fan und Fußballinteressierte glaubt immer, dass Profis (seit Robert Enkes Suizid wissen wir es besser), eigentlich die glücklichsten Menschen sein müssten, weil sie doch ihr Hobby zum Beruf machen konnten. Eigentlich…

Fakt ist, eine mentale Pathologie und Veränderung, oder eine depressive Phase, Phobien und andere psychosomatische Erkrankungen (hier dürfte es sehr viele geben), kann jeden Bürger treffen, ganz egal, welcher Tätigkeit oder Beschäftigung er nachgeht, oder welchen Wunschberuf er auch ausgewählt hat.

Die Psychologie und Sozialmedizin spricht gern von veränderten Lebensumständen und chemischen Botenstoffen im Körper – wodurch diese stattfinden können, ist nicht hundertprozentig erforscht. Welche Art von Stress, oder auch Ernährungsweisen, oder sogar wie der Biorhythmus, sich auf das Gehirn und den Stoffwechsel auswirken. Oder liegt es einfach am Naturell der jeweiligen Person, wer und wie tief über sich selbst, und über das Leben so nachdenkt?

Jeder Charakter ist für sich ein Individuum, und jeder ist anders sozialisiert und geprägt. Setzen Stress und Existenzängste dermaßen zu, dass man sich plötzlich unsicher und verängstigt fühlen kann? Jeder Mensch hat auch ein eigenes Stress-Coping-Modell, oder muss dieses unter fachmännischer Anleitung erlernen. Die Kunst, die Wechselwirkung von Stress auf den Geist und Körper wahrnehmen, aber auch dementsprechend abwehren, bewältigen zu können (Anmerkung: War ein großer Bereich und Aspekt während meines Studiums der Sozialpädagogik, im Fach Sozialmedizin) – hier auch nachzulesen: https://de.wikipedia.org/wiki/Stressmodell_von_Lazarus

Im Welt-Artikel, schildert Nils Petersen recht gut, wann alles begann, und was ihm auch besonders (im Fußball) zugesetzt hatte – zum Beispiel der Abschied beim SV Werder Bremen. Selbstkritisch genug ist Petersen jedenfalls, meint er doch selbst, er habe zwar nicht immer die stärkste Leistungen abrufen können, dennoch war er fester Bestandteil des Teams, und jeder weiß, Nils Petersen gehörte in der Bundesliga stets zu den bekannten Torschützen. Und, beliebt und sympathisch war er allemal. Und dann trifft es so einen Spieler?

Nun, der ehemalige erfolgreiche Skispringer, Sven Hannawald, machte seinen Burnout und die depressiven Episoden auch publik. Er wollte sich damals nicht mehr verstecken, und bevor die Medien zu viel spekulierten… Es kann wirklich jeden treffen.

Wir, aus der etwas älteren Generation, erinnern uns immer wieder an den fast kompletten Spieler, ja, ein deutsches Toptalent, Sebastian Deisler. https://de.wikipedia.org/wiki/Sebastian_Deisler

Sebastian Deisler hörte mit dem Fußball ganz sicher zu früh auf – aber, es ging nicht anders. Deisler ist für mich, auch ein Geheimnis, mit welchem festen Willen und vehementen Schritt, er von allem Abstand, ja, Abschied genommen hat. Man hat danach bis heute auch kaum noch etwas von ihm gehört.

Sebastian Deisler zog einst die Entscheidung, dem Profifußball den Rücken zu kehren, zu seinem Wohlsein. Die Gesundheit gehe vor. Ein Weilchen versuchte er es zwar noch, über drei, vier Jahre quälten ihn immer wieder Verletzungen, und auch schon da depressive Phasen – man könnte fast meinen, nur in einem gesunden Körper steckt auch ein gesunder Geist – im Jahr 2007 zog Deisler letztendlich für sich die Reißleine. Sebastian Deisler wirkte, das ist nun meine ganz persönliche Interpretation, immer auf Sinnsuche. Vielleicht sind es oft Spieler, die tiefer denken, und merken, dass sie den Spaß am Fußball, in einer etwas oberflächlichen Profifußball-Branche, komplett verlieren oder verloren haben?

Man bekommt fast „Gänsehaut“, zumindest berührte es mich ein bisschen, was ich zu Sebastian Deisler auf Wikipedia gelesen habe – hier der Auszug:

>> Auf einer Veranstaltung der Robert-Enke-Stiftung im November 2019 erzählte Hoeneß genauer, wie die letzten Tage von Deislers Karriere verliefen. So befand sich der FC Bayern im Januar 2007 in einem Trainingslager in Dubai. Deisler besuchte Hoeneß mehrfach in seiner Suite und gab ihm immer wieder zu verstehen, dass er „nicht mehr könne“ und am Ende seiner Kräfte sei. Die Gespräche zogen sich oft von den Abenden bis in die Morgenstunden und am letzten Tag verließ Deisler Hoeneß sogar erst eine halbe Stunde vor dem Mannschaftsfrühstück. Im darauffolgenden Training sei Deisler nach Hoeneß’ Aussage der beste Mann auf dem Platz gewesen. Nach der Ankunft in Deutschland bat Deisler um ein erneutes Gespräch, in dem er ihm sein endgültiges Karriereende bekanntgab. (Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Sebastian_Deisler )

Manager Uli Hoeneß kämpfte damals lang um Deisler…

Zurück zu Nils Petersen, der jetzt immerhin seine neu gewonnene Freizeit und Entspannung ohne Druck, gefunden zu haben scheint. Der ehemalige Bayern-Spieler erzählt seine Sicht: >>„Es ist ein innerer Kampf. Ich hätte mir natürlich lieber den Arm gebrochen und dann gewusst, in ein paar Wochen ist das geheilt“, sagt er, „aber niemand weiß oder kann prognostizieren, wann das aufhört. Ich hatte schlicht die Lebensfreude verloren.“ Heute schläft er hervorragend, sagt von sich, er sei nun „der neue Nils“. Zu Beginn wünschte sich seine Frau Carla noch den alten Nils zurück, „heute findet sie den neuen deutlich ausgeglichener“. <<

Ist die mentale Gesundheit nun (noch) ein Tabuthema, oder öffnen sich die Spieler und auch Clubs? Werden gegebenenfalls mehr Fachleute implementiert? Teampsychologen werden oft schon als Teil der Mannschaften benannt…

Die WELT zitiert Petersen, „Ein Tabuthema sieht der Ex-Stürmer des SC Freiburg in der mentalen Gesundheit im Fußball nicht. „Eher ein offenes Geheimnis. Wenn man sich artikuliert, merkt man erst einmal, dass auch andere Kollegen unter ähnlichen Problemen leiden oder was manche für Rucksäcke mit sich herumschleppen. Man ist folglich nicht allein“, sagt Petersen. Die Dunkelziffer, vermutet er, sei recht hoch, im Fußball wie in der Gesellschaft. Jeder sollte seinen Weg finden.“

Seinen Weg scheint Nils Petersen gefunden zu haben – anderen Spielern möchte man raten, aber den Menschen generell, die Veränderungen an sich selbst, in ihren Gedanken, in ihrem Wohlbefinden, bemerken: Immer offen Hilfe suchen, sich auch Freunden öffnen.

Der Profifußballer ist eine Art Künstler(-Seele), und auch ein Arbeiter, der sich mit seinem Talent und Können in die Dienste des Teams, des Clubs stellt. Gesundheit ist das Wichtigste, der Körper, seine Füße, dessen Kapital. Der Kopf kommt manchmal zu kurz, klar werden die Taktik gelehrt und viele strategische Übungen absolviert, das Hirn muss auch akrobatische Höchstleistungen bringen – und dennoch werden im Gehirn auch Emotionen, Gefühle und Eindrücke, die Impressionen verarbeitet.

Die Medien können brutal sein, genauso die Fans. Der Fußball ist die schönste Nebensache der Welt, selbst wenn mit dieser, Geld verdient wird. Verliert der Kicker den Spaß und die Freude an seinem Spiel, das einst ja sein Hobby war, werden wir irgendwann alle keinen Spaß mehr an diesem Spiel haben.

An die Trainer, und Berater, versucht es wieder mit etwas mehr Leichtigkeit!

Veröffentlicht von

Giovanni Deriu

Jahrgang 1971, Vater, 2 Kinder, lebte lange Zeit in Asien; Dipl. Sozialpädagoge (FH) für Jugend- und Erwachsenenbildung, sowie Biographie-Arbeit. Außerdem: Industriekaufmann und gelernter Journalist. Schreibt regelmäßig für das RUND Magazin und FussballEuropa.com Fünf Jahre als Juniorentrainer tätig gewesen mit Jugendtrainer-Lizenz. In Hongkong die Junioren einer internationalen Soccer-Academy trainiert. Weiterhin als Scout (für Spiele und Spieler) unterwegs. Deriu analysiert für Spieler und Eltern die Spielerberater (und Agenturen), erstellt Profile und gibt Einschätzungen.

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