Fußball, Porträts und Biographien: Fatih Terim, ein Junge aus Adana. Galatasarays Erfolge sind ohne Terim undenkbar. Ein erfolgreicher und emotionaler Typ, der in der Türkei sowie in Italien(!) verehrt wird. Die Fans liebten ihn, die Präsidenten rieben sich an ihm…

Wer sich für Biographien und Dokumentationen im Fußballsport interessiert, kommt an dieser vierteiligen Serie über den türkischen Trainer Fatih Terim nicht vorbei. Klar, haben auch wir Fatih Terim über die Jahre beobachtet und den Spielstil seiner Teams etwas verfolgt. Doch in dieser „Bio-Doku“, wohl zuerst in der Türkei ausgestrahlt, erfährt man wirklich viel – und noch besser, man lernt einen wirklich authentischen Trainer kennen, und auch schätzen. Da ist Netflix wirklich eine tolle Doku gelungen. Und, Fatih Terim spricht offen und ehrlich, und ebenso kommen viele Spieler und Weggefährten sowie seine Familie zu Wort.

Kurz, der türkische Fußball, dessen Entwicklungen in den vergangenen 20 Jahren, und vor allem die Erfolgsgeschichte von Galatasaray Istanbul, wären ohne Fatih Terim (https://de.wikipedia.org/wiki/Fatih_Terim ) unmöglich.

Trainer Fatih Terim genießt auch die Freizeit im Garten seines Anwesen. (Netflix)

Nach dieser Doku auf Netflix kann man auch sagen, welch imposante Karriere vom jungen Mann aus Adana, der einst auszog, um erst ein starker Profispieler zu werden, der dann allerdings erst als Trainer die erste Meisterschaft hat feiern können. Insgesamt wurden es dann aber acht Meistertitel mit Galatasaray als Trainer, und noch mehrere Pokalsiege, Supercupgewinne, als türkischer Nationalcoach der „Mittelmeerauswahl“ (als es noch den Wettbewerb der Mittelmeerspiele gab) gewann Terim die Goldmedaille, sowie eine in Silber (1991 und 1993). Für den größten türkischen Erfolg jedoch, und zum allerersten Mal, sorgte der ehemalige Nationalspieler sowie Fußballlehrer, als er mit Galatasaray Istanbul den Uefa-Pokal (heute derselbe Pott im Namen der Europa League), nach Elfmeterschießen über Arsenal London mit Arséne Wenger gewann. Im Jahr 2000 stand Istanbul, ja, stand Fußballeuropa Kopf. Die ganze Türkei und alle Auslandstürken in Europa feierten. Der Finalsieg wird ebenso interessant dokumentiert, und wie Terim sein Team auf- und eingestellt hatte.

Schritt für Schritt, mit neuen Erkenntnissen und Erfahrungen, verbesserte Terim dessen Team, Galatasaray, dem er auch immer die Treue hielt, obwohl auch Ligakonkurrent Fenerbahce öfter angeklopft hatte. Fatih Terim, sagte immer freundlich ab – dabei hatte ihm der „Fener“-Boss von einst gesagt, Fatih könne auf einem Blankovertrag reinschreiben was er wolle.

Fatih Terim hielt Galatasaray zwar die Treue, er war ja bereits als Ex-Profi eine Legende im Club, aber es war auch nie eine einfache Beziehung. Schließlich weiß ein Fatih Terim um seinen Wert, und sein Können, und kann es nicht so sehr ab, wenn sich zu viele einmischen, oder gar im eigenen Glanz, der nur durch „harte Arbeit, und Disziplin“ entsteht, sonnen möchte. In all seinen Abgängen aber, blieb Fatih Terim stets konsequent er selbst, wahrte die Contenance, und versuchte, stets im Guten zu gehen. Ganze vier Mal, und das immer zwischen jeweils zwei und fünf Jahren, ging Terim eine Partnerschaft mit Galatasaray ein. Seiner Ehefrau Fulya, die in der Doku ebenfalls zu Wort kommt, wie seine zwei charmante Töchter, hielt er über 40 Jahre bis dato die Treue, und das Paar erlebte viel, wie diese verfilmte Biographie zeigt.

Der türkische Trainer und allseits anerkannte Fußballexperte, gilt als ehrgeiziger, verbissener („Damit kann ich leben, weil ich meinen Beruf ernst nehme!“) Taktiker und Übungsleiter, der aber stets für sein Team einsteht, es in Schutz nimmt, und immer wieder aufs Neue motivieren kann. Ja, immer wieder wurde Terim von den ehemaligen Spielern, ob bei Galatasaray oder in der türkischen Nationalelf, attestiert, genauso von Journalisten, welch guter „Motivator und Psychologe“ Fatih Terim doch sei. Er selber, so Terim, wolle, dass ihm keiner in seine Arbeit „hineinrede“, weil er dies auch nicht bei anderen Menschen und deren Berufe machen würde. Der Fußball habe ihm viel an Erfahrungen vermittelt.

Vom Jungen, der aus Adana wegzog, um Profifußballer zu werden…

Für Fatih Terim, so lautete auch stets die Maxime bei Galatasaray, solle das Team stets offensiv und attraktiv spielen. Auch bei Rückständen gelte es, weiter anzugreifen, und bis zur letzten Minute alles zu geben. Schließlich habe der Fußball, mit all seinen Momenten und absurden Situationen schon die unmöglichsten Geschichten geschrieben. Das zeigte sich auch 2008 bei der Fußball-Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz, als die Türkei, auch mit Fatih Terim (70), bis ins Halbfinale einzog. Das nächste Wunder, und ein immenser Erfolg.

Bei dieser genannten EM, 2008, drehten die Türken unmögliche Rückstände, wie gegen die Schweiz und Tschechien, aber selbst gegen Kroatien, in den letzten Minuten, verloren dann aber sehr unglücklich gegen Deutschland mit 2:3, ebenfalls in der Nachspielzeit. Nichtsdestotrotz, die Türken wurden wie Helden gefeiert. Was man daraus, oder aus der türkischen Spielweise lernen konnte? Egal wie stark der Gegner auch sein mag, (ähnlich bei Galatasarays Uefa-Pokal-Sieg über Arsenal), mit eisernem Willen, sowie einer guten athletischen Vorbereitung, kann alles möglich sein, aufzugeben, sei „niemals eine Option“, so Terim.

Und, selbst im fußballverrückten Land Italien, wurde man auf Terim dann aufmerksam, besonders nach dem Uefa-Cup-Erfolg, und auf die Art und Weise, wie Terim spielen ließ. In der Champions-League zuvor, hatte sein Galatasaray auch den AC Milan und Hertha BSC bezwungen.

Die erste Station war dann die Fiorentina, das Ehepaar Terim ging das Abenteuer in Florenz ein – und gut vorbereitet, Terim hatte bereits in der Türkei täglich fünf Stunden Italienisch gelernt, stieg Fatih Terim in seinen neuen Job ein.

Die Fiorentina stand im Umbruch, anno 2001, Goalgetter Batistuta wurde sogar verkauft, und Terim musste mit einigen No Names, eine neue Squadra der Fiorentina, der Viola, aufbauen. Die Maxime auch hier – so offensiv wie möglich spielen zu lassen. Und, Fatih Terim sorgte auch hier für Spektakel, selbst wenn sein Team anfangs nicht in die Pötte kam. Es hagelte Niederlagen, doch dann spielte sich die AC Fiorentina ein, besiegte Inter und Milan, und schaffte gegen ein starkes Juventus gar ein 3:3 – bis heute spricht man in Florenz über diese Saison – die Terim allerdings nicht ganz zu Ende brachte – zur Trauer und Enttäuschung der Stadt in der Toskana, und deren Fans, die Terim feierten und anhimmelten. Denn, der „Imperator“ Terim, war quasi ein Volkstribun, wie in Istanbul, er ließ sich von den Leuten feiern, weil er auch in der schönen Altstadt mit seiner Frau, unter die Menschen ging. Ein erfolgreicher und sympathischer Türke eroberte quasi Florenz.

Hinzu kam, die Saison beendete man zwar im Mittelfeld der Liga, ABER(!), Fatih Terim hatte die Fiorentina ins italienische Pokalfinale gebracht. Gegen Parma sollte das Finale gespielt werden. Was geschah? Terim überwarf sich mit dem mächtigen Mäzen und Präsidenten, Cecchi Gori, der unbedingt nach einem Sieg, in die Kabine wollte, was der türkische Coach ihm verwehrte. Terim noch heute dazu: „Sowas habe ich noch nie akzeptiert, die Kabine ist ein heiliger Ort. Die Spieler sind nach dem Spiel in ihrem Tunnel, denken nach, sprechen Dinge aus, stehen nackt da, wollen sich wieder sammeln und frisch machen…“, da habe auch ein Präsident keinen Platz. Dies alles schlug Wellen, der Präsident setzte sich darüber hinweg, es herrschte kurz Frost, bis Terim, das Finale noch ausstehend, die Brocken hingeworfen hatte. In einer Mitteilung nannte er die Gründe, und dass er auch auf seine Abfindung verzichten würde. Kurz, die Fiorentina gewann zwei Wochen später dennoch das Finale um die Coppa Italia, aber alle Spieler und vor allem die Fans, Tifosi, wussten, wem sie es zu verdanken hatten. Ein riesiger Banner mit der Aufschrift, Danke Terim, der Pokal ist auch Deiner!, wurde aufgerollt. Bis heute schwärmt man in Florenz von Terim.

Die Tifosi der Fiorentina nach dem Sieg der Coppa, „der Pokal gehört auch Dir!“

Die Episode beim AC Milan wenig später verlief dann sehr durchwachsen, das Derby gegen Inter wurde wohl erfolgreich gewonnen, auch nach einem Rückstand, drehte der AC Milan von Berlusconi und Adriano Galliani auf – dennoch stand am Ende im Raum, dass einige namhafte Spieler, vorwiegend Italiener, gegen Terim und dessen Trainerteam Politik im Club machten. Würdevoll ging Terim dennoch, und wurde von Ancelotti abgelöst.

Was für ein pralles Fußballerleben, und vor allem, erfolgreiches Trainerdasein, und bunt dazu. An Terim reiben und erfreuen sich die Gemüter, und er ist ein wahrer Volkstribun in der Türkei, es würde nicht verwundern, wenn Terim vielleicht gar politisch aktiv würde? Die Menschen hätte er hinter sich – die Fans trauerten bei jeder Entlassung, und verabschiedeten ihn mit Gesängen.

Oder wird er gar wieder bei Galatasaray einsteigen, oder doch nur noch den Türkischen Verband beraten im Hintergrund. Es scheint aber so, als habe der Mann, der als Profi auch vom deutschen Bundestrainer Jupp Derwall in Istanbul trainiert wurde, seinen Frieden im Kreise seiner Familie gefunden, mit der er seine Freizeit gut genießen kann. Doch wer weiß?, ein Fatih Terim brennt immer…

Bundestrainer und Europameister Jupp Derwall trainierte Terim in Istanbul…

In Florenz bei der Fiotentina. Foto: GiD

Veröffentlicht von

Giovanni Deriu

Jahrgang 1971, Vater, 2 Kinder, lebte lange Zeit in Asien; Dipl. Sozialpädagoge (FH) für Jugend- und Erwachsenenbildung, sowie Biographie-Arbeit. Außerdem: Industriekaufmann und gelernter Journalist. Schreibt regelmäßig für das RUND Magazin und FussballEuropa.com Fünf Jahre als Juniorentrainer tätig gewesen mit Jugendtrainer-Lizenz. In Hongkong die Junioren einer internationalen Soccer-Academy trainiert. Weiterhin als Scout (für Spiele und Spieler) unterwegs. Deriu analysiert für Spieler und Eltern die Spielerberater (und Agenturen), erstellt Profile und gibt Einschätzungen.

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