Fußball, Biographien und Porträts: Über eine schillernde Figur, torgefährlich dazu, und die Torwart-Legende Kolumbiens – nämlich René Higuita! Offensiver spielte kein Keeper zuvor – und Higuita ist auch eine FIFA-Regel seit 1992 zu verdanken…

Keine Frage, Kolumbiens Nationaltorwart René Higuita war für alle Fußballfans auf der Welt ein bunter Vogel, schillernd dazu, aber auch so interessant von seiner Spielweise her, dass man ihn einfach mögen musste. In Kolumbien lieben sie ihn, auch als umstrittene Person, bis heute. Vergessen hatten wir ihn nie, aber dank Netflix, und dieser interessanten Biographie-Doku, wurden wir auf Higuita einmal mehr aufmerksam.

René Higuita wurde weltweit bei der WM 1990 in Italien so richtig bekannt, wegen seiner offensiven Spielweise, ja, er galt als „zwölfter“ Mann, als wahrer Libero, oder, wie wir es noch von unseren Bolzplätzen kennen, als „Fliegender Torwart“, der eben auch mit raus kommen konnte – und das tat Higuita in Kolumbien und Südamerika schon seit Jahren. Insgesamt erzielte René Higuita sogar weit über 45 Tore, in offiziellen Liga- und Länderspielen. Darunter viele Elfmeter, er hielt aber auch einige wichtige, sowie durch Freistoßtore, die er fast so genau wie Diego Maradona zirkeln konnte. Ja, bis heute also ist René Higuita, der in Kolumbien zwar ein absoluter Charismatiker ist, jedoch auch mit den Drogenbaronen irgendwie in Kontakt kam (sogar im Gefängnis einsaß, aber auch wieder rehabilitiert wurde), ein populärer Zeitgenosse, und, anders als sein Bild generell, auch ein recht ruhiger Typ, der den Kreis seiner Familie sehr schätzt.

Die Dokumentation über Higuita auf Netflix, lässt wirklich nichts aus, und es berührt schon ein wenig, zu erfahren, dass Higuita, das ist der Nachname der Mutter, schon früh elternlos bei den Großeltern und Tanten aufwuchs. Seinen Vater kannte er kaum, und die Mutter verstarb leider zu früh. Higuita dazu: „Es macht mich sehr traurig, dass ich ihr von meinem Erfolg nichts mehr zurückgeben konnte…“.

So wurde der Fußball sein ein und alles – und nur als Torwart da zu sein, kam gar nicht in Frage, René war technisch am Ball so stark, dazu noch mit so viel Sprungkraft ausgestattet, dass eines auch seinen Trainern klar wurde: René Higuita wird ein spielender Torwart, er schaffte oft ein Überzahlspiel, dribbelte mit, während zwei Abwehrspieler nach hinten absicherten.

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Kolumbien hatte mit Francisco Maturana einen Vereins- und Nationaltrainer, der das Spiel in Südamerika ein Stück weit revolutionieren sollte, und einem Tormann wie Higuita, alle Freiheiten gab. Pures Risikospiel, aber schon auch kontrolliert, nach vorne, Higuita als neuer „Torspieler“, und bei der WM 1990 in Italien sah jeder, dass dieser neue Torwart das Spiel einfach schneller machte.

Kolumbien, nach 26 Jahren wieder bei einer Weltmeisterschaft dabei – spielte als Neuling frech nach vorne, und René Higuita, er hatte im Team sowie in der Nation absoluten Rückhalt, kreierte eine neue Art der Torwartposition – er interpretierte den Fußball in etwa so offensiv, auch Dank Maturana, wie ihn auch die Holländer einst gern spielen wollten. Übrigens spielte Kolumbien in der Vorrunde gegen den späteren Weltmeister Deutschland ein starkes 1:1 – die Fußballwelt staunte nicht schlecht.

Torwart Higuita war Keeper, Libero, Abräumer hinter der Vierer- oder Dreierkette, die schon damals weit aufgerückt war. Athletisch und ausdauertechnisch waren die Kolumbianer sowieso. In der Dokumentation gibt es viel Videomitschnitte und Bildmaterial. ( https://www.netflix.com/de/title/81640952 )

Weltweit wurde El Loco, der Verrückte, Higuita zur Marke. Im Film, „der Weg des Skorpions“, wird ein aufregender Lebensweg beschrieben, auf und neben dem Platz. Und, wer in Kolumbien spielt und lebt, wird früher oder später auch in die „Fänge“ oder in den Dunstkreis, der Drogenbarone, gezogen – so fungierte Higuita wegen seiner Berühmtheit und Popularität als Vermittler, um die entführte Tochter von reichen Bekannten, wieder frei zu bekommen. Er handelte mit ganzem Herzen, verstieß aber gegen die Gesetze der Justiz. Aber, das ganze Land, und seine früheren Kameraden, hielten zu Higuita, und nach jedem Länderspiel, sangen die Sportsfreunde ihre Hymnen auf Higuita in die Kameras, man möge ihren Lieblingstorwart doch frei lassen.

Harte Zeiten, aber auch seine Frau, und die gesamte Familie, hielten immer zu ihrem René. Auch auf Clubebene feierte Higuita Erfolge und Meisterschaften.

Zurück zur Weltmeisterschaft in Italien, von 1990. Die Kolumbianer spielten sehr attraktiv, doch ausgerechnet gegen Kamerun im Achtelfinale war dann Schluss, auch weil Higuita, in der Verlängerung voll auf Risiko spielend, es stand bereits 0:1, Roger Milla ausspielen wollte, doch der Rückpass des Abwehrspielers auf Higuita war etwas zu stark, René musste den Ball erst einmal verarbeiten, doch da preschte schon der Kamerunstar, Milla, dazwischen, wie ein D-Zug, und dribbelte allein aufs leere Tor zu. Mit 1:2 verlor Kolumbien – Aus und vorbei – aber, siehe da, das Land und auch die Kameraden machten ihm keine Vorhaltungen. Und, Higuita selbst, stand Rede und Antwort, und nahm die Schuld auf sich.

Sprich, Higuita hatten sie viel zu verdanken, war er es doch, der das Team führte und auch auf dem Platz motivierte.

Der Kolumbianer hat mit dieser Spielweise also den Fußball auch revolutioniert. Es gab die neue Regel „Higuita“, und „wer kann das schon von sich behaupten, dass die FIFA eine Regelung nach ihm benennt? Weder Maradona, noch Pelé…“, hielt René Higuita später fest.

Die damaligen Torhüter, darunter auch Illgner, Zenga, oder Goycochea, hielten den Ball oft auch nach Rückpässen, viel zu lange in der Hand. Higuita dagegen, nahm den Ball nur selten auf, lieber verarbeitete er diesen mit den Füßen, und leitete weit vor dem Strafraum Angriffe ein.

Bei den Olympischen Spielen 1992 wurde die neue Regel bereits eingeführt, auch Rückpässe durften nicht mehr mit den Händen aufgenommen werden, und sowieso, innerhalb von sechs Sekunden muss der Ball vom Keeper weitergespielt werden. Also, nur maximal sechs Sekunden darf der Ball kontrolliert werden. https://www.france24.com/en/live-news/20220817-higuita-s-rule-cut-time-wasting-and-after-30-years-is-still-changing-football

Dass Higuita das Spiel schneller machte, davon konnten sich alle überzeugen. Und schon bei der WM 1994 in den USA, wurden im Schnitt mit 2,7 Toren, mehr Treffer erzielt.

Diese Regel hat bis heute Bestand, auch Dank Higuita, der den Fußball wirklich zum Spiel machte, mit all seiner Schönheit, und auch wegen der Fehler, die auch ihm widerfuhren.

Higuita wird auch der „Skorpion“ genannt. Warum? Nur so viel, ausgerechnet in einem Länderspiel rettete er einen gefährlichen Ball mit einem Skorpion-Fußsstoß, als der Ball bereits hinter ihm ins Tor zu fliegen schien… ausgerechnet gegen England. Sein Nationaltrainer Hernán Gòmez meinte in der Halbzeit nur: „Mach das bitte nie wieder….!“ Aber in der Doku schon, lachte der Coach darüber, Higuita, sei einfach einmalig gewesen… ( https://www.bing.com/videos/riverview/relatedvideo?q=Higuita+Skorpion+gegen+England&mid=DCFF2D474B58B34BCF7BDCFF2D474B58B34BCF7B&FORM=VIRE )

Veröffentlicht von

Giovanni Deriu

Jahrgang 1971, Vater, 2 Kinder, lebte lange Zeit in Asien; Dipl. Sozialpädagoge (FH) für Jugend- und Erwachsenenbildung, sowie Biographie-Arbeit. Außerdem: Industriekaufmann und gelernter Journalist. Schreibt regelmäßig für das RUND Magazin und FussballEuropa.com Fünf Jahre als Juniorentrainer tätig gewesen mit Jugendtrainer-Lizenz. In Hongkong die Junioren einer internationalen Soccer-Academy trainiert. Weiterhin als Scout (für Spiele und Spieler) unterwegs. Deriu analysiert für Spieler und Eltern die Spielerberater (und Agenturen), erstellt Profile und gibt Einschätzungen.

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