Fußball, Scouting und Geschichte: Ein Wunder, das bleibt! Auf den Spuren von Hellas Verona, der Fußball-DNA Italiens – und einer U17, die träumen darf! 1985 wurde Hellas Verona mit einer „Billig-Elf“ sensationell Meister. 40 Jahre später begegnen wir dem Geist von damals wieder – zwischen Bentegodi und Provinzplätzen, zwischen Pasta und Prosecco, zwischen Tradition und Talentschmiede… eine davon ist in Pedemonte!

Ein Titel für die Ewigkeit – Wir erinnern uns noch gut! Verona, 1985, vor nunmehr 40 Jahren. Ein kleines Team, zwei Ausländer, ein großer Trainer: Osvaldo Bagnoli. Und am Ende: die italienische Meisterschaft. Es war ein Triumph gegen die Giganten – gegen Maradonas Neapel, Platinis Juventus, Rummenigges Inter Mailand. Und mit dabei, ganz neu, in der beliebten Serie A: Hans-Peter Briegel und der dänische Publikumsliebling Elkjaer Larsen. Eine „billige“ Mannschaft schlug die Millionenteams – ein Fußballmärchen, das bis heute nachwirkt.

Noch heute sind Briegel und Elkjaer Larsen wahre Legenden in Verona, die auch immer wieder vorbeischauen, und von den Tifosi frenetisch gefeiert werden.

40 Jahre später ist dieses Märchen noch immer lebendig. Es inspiriert, auch etwas in Fußballnostalgie zu schwelgen – Wir haben uns auch deshalb wieder auf die Reise begeben, und das Nützliche, den Kurzurlaub, mit der Fußballleidenschaft und als eigene Vorbereitung für unser „Scouting-Seminar“ des italienischen Verbandes verbunden. Wir wollten natürlich Hellas Verona im altehrwürdigen Stadion ‚Bentegodi‘ gegen Genua mit den tollen Fans, den tifosi, besuchen, aber davor auch die Region Venetien rund um Verona besser kennenlernen – wir wollen sehen, wie einzelne Provinzteams, ihre Jugendarbeit gestalten, wie die Koordination so läuft, wie sich der Jugendfußball entwickelt, mit welcher DNA der italienische Fußball von klein auf ausgestattet wird. Zwischen Gardasee, Jugendplätzen und dem ehrwürdigen Stadion Bentegodi, begeben wir uns auf Spurensuche.

Basislager Gardasee: Pastrengo im Herzen

Unser Hotel liegt malerisch in Pastrengo (keine Ahnung, warum ich mir diesen Namen nicht gut merken kann…)– auf den Hügeln über dem Gardasee. Lazise, Bardolino, die alten Wohnorte der Legenden Briegel & Co., sind gleich ums Eck. Und auch Verona mit dem Stadion Bentegodi ist nur 25 Minuten entfernt. Der kleine Ort lebt für den Fußball: Auf einem Mini-Kunstrasen-Calcettofeld spielt die U12 von US Pastrengo – engagiert, mit vielen Ballkontakten. Die Eltern sind mit Herz dabei, die Struktur stimmt. Der Herrenbereich kickt in der Landesliga. Es ist ein Ort, an dem man gerne beginnt, die Sportplätze liegen gleich über die Straße, nah am Hotel.

Pedemonte: Wo Elite heranwächst

Dank unseres Hellas-Freundes Elmar gelangen wir nach Pedemonte – in der Provinz Verona, mitten im Valpolicella-Gebiet. Eine ertragsreiche Landwirtschaft, viel Ruhe – und dann ein rot-weißes Vereinslogo mitten im Grünen, nur von ein paar Häusern umgeben. Die Polisportiva Pedemonte A.S.D. ist kein gewöhnlicher Club. Es ist eine zertifizierte „Scuola Calcio Elite“, eine Società Affiliata – also ein offizieller Ausbildungsstützpunkt des italienischen Fußballverbands. Und Hellas Verona beobachtet als Kooperationsclub weiter oben, in der Serie A ganz genau, welche Entwicklung die Junioren von Pedemonte so machen. Die Scouts und Späher sind allgegenwärtig.

Meisterlich: Die U17 von Pedemonte

Trotz Dauerregens haben sich am Sonntagvormittag viele Zuschauer am Spielfeldrand versammelt. Die U17 von Pedemonte ist längst souveräner Staffelsieger – mit über 100 Toren und kaum Gegentreffern. Und auch gegen ASD Mozzecane wird dominant gespielt: Endstand 5:1.

Gespielt wird mit Struktur und Plan: Ein variables 4-3-3, das auch mal zu einem 4-2-3-1 wird. Der Fokus: schnelle Ballgewinne, präzise Angriffe – diszipliniert umgesetzt von Trainer Claudio Cammarata und seinem Assistenten Riccardo Gaspatato.

Mindestens vier Spieler gelten als Perspektivspieler für die Herrenmannschaft, die aktuell in einer Art (wie in Deutschland), regionalen Verbandsliga spielt. Der Sportdirektor aus dem Juniorenbereich, Denis Benini, einst selbst ein guter Kicker gewesen, ist vor Ort, und beobachtet die Jungs und überzeugt sich davon, dass des Trainers Vorgaben ebenfalls umgesetzt werden. Aus einer sicheren und variablen Viererkette heraus, wird stets flexibel und schnell nach vorn gespielt. Aber Trainer Claudio Cammara und sein Assistent Riccardo Gaspatato haben die B-Jugendlichen gut vorbereitet – als zusätzliche Trainingseinheit gilt das Match – möglichst ab dem Mittelfeld in wenigen Spielzügen den Ball vor’s gegnerische Tor zu bringen. Die Abwehr bleibt engmaschig, rückt aber etwas auf. Die Abwehrarbeit zählt in Italien immer noch viel (selbst, wenn die Squadra Azzurra neulich beim 3:3 gegen Deutschland, in der ersten Halbzeit heillos überfordert, und die DFB-Elf spritziger wirkte). Die U17 ist nun zwar Meister, aber ausruhen gilt nicht: Schon in der Woche nach der Osterpause, geht es dann in den Playoff-Spielen um den Aufstieg. Einige Väter müssen nach dem 5:1 Kantersieg ein paar Schnitten und Prosecco-Flaschen springen lassen – ihre Söhne haben doppelt getroffen. Aber das machen sie ja sehr gern, wie wir bemerken.

„Die Abwehrarbeit zählt hier noch was – das merkt man von der U12 bis zur U17.“
– Denis Benini, Sportdirektor Juniorenabteilung

Fußballkultur abseits des Rampenlichts

Nach dem Spiel wird zusammen gegessen – unter dem Zelt, am Vereinsheim. Es gibt natürlich Pasta, Brötchen, ein paar Prosecco-Flaschen für die Eltern, von stolzen Vätern der Torschützen ausgegeben – die Mütter und Väter feiern ihre Jungs. Auch der unterlegene Gegner schaut kurz vorbei, gratuliert, und macht sich auf den Weg. Man kennt sich, man respektiert sich. Die Jugendabteilung von Pedemonte zeigt auch hier die Philosophie, die einen Stützpunkt-Verein des italienischen Fußballverbands so ausmacht: „Mit Anstand gewinnen und auch verlieren zu können“, sind sich die Väter und, teils auch Unterstützer, Elmar H. und Marco Segala, einig.

Die Club-Präsidentin und Geschäftsfrau, Martina Calza, dynamisch und präsent, schaut ebenfalls vorbei. Zusammen mit Club-Vize Claudio Farina sorgt sie dafür, dass in Pedemonte professionell gearbeitet wird – bei gleichzeitig familiärem Flair. Die „Giorgia Meloni des Fußballs“ wird sie von einem Vater augenzwinkernd genannt – eher eine Anspielung auf ihre Führungsstärke, nicht auf Politik. Sie lacht herzlich. Präsidentin Martina Calza ergänzt: „Fußball ist in Italien Herzenssache – und der Juniorenbereich das Fundament jedes Vereins.“ Die Vorstandfrau von Polisportiva Pedemonte, angesprochen auf den Status als zertifizierte Fußballschule, meint überzeugt:

„Man wird nicht einfach so zertifizierte Fußballschule. Das muss man sich verdienen.“ – Martina Calza, Präsidentin Pedemonte

Ein Abend im Bentegodi – und ein leises Echo

Als Scout aus Deutschland mache ich auch mit dem jungen Kollegen von Pedemonte, Nicolò, Bekanntschaft – er sichtet und beobachtet für Pedemonte, dem Vorzeigeclub, in der näheren Umgebung. Vorstandsfrau Calza begrüßt die Jungs, die Meister, am Tisch, währenddessen sorgen die zwei Bar-Frauen und Verkäuferinnen am Kiosk, Lory und Fabiola, für gute Laune. Dem Regen an diesem Tag bleibt keine andere Wahl, als zu weichen, ein bisschen blinzelt nun auch die Sonne. Etwas später, im Stadion ‚Bentegodi‘: Hellas Verona spielt gegen Genua. Die Stimmung ist groß – das Ergebnis ernüchternd: Null zu Null. Kaum Spektakel, viel Taktik, keine Tore. Aber das macht nichts. Wir wurden ja bereits in Pedemonte entschädigt. Denn die wahre Magie haben wir vormittags bei der U17 erlebt – im Dauerregen von Pedemonte, zwischen Meisterjubel und Elternbegeisterung.

Giovanni Deriu

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Giovanni Deriu

Jahrgang 1971, Vater, 2 Kinder, lebte lange Zeit in Asien; Lehrer und Dipl. Sozialpädagoge (FH) für Jugend- und Erwachsenenbildung, sowie Biographie-Arbeit. Außerdem: Industriekaufmann und gelernter Journalist. Schreibt regelmäßig für das RUND Magazin und FussballEuropa.com Fünf Jahre als Juniorentrainer tätig gewesen mit Jugendtrainer-Lizenz. In Hongkong die Junioren einer internationalen Soccer-Academy trainiert. Weiterhin als Scout (für Spiele und Spieler) unterwegs. Deriu analysiert für Spieler und Eltern die Spielerberater (und Agenturen), erstellt Profile und gibt Einschätzungen. ◾⚽ Auch Sportjournalismus, und besonders dieser Info-Blog und diese Website der Porträts und Biographien ist ohne Zeit und Rechercheaufwand (nebenberuflich) nicht zu 'wuppen'. Für kleine Spenden und Unterstützungen sind Wir Euch jederzeit dankbar, auch wenn es nur für einen Espresso an der Bar ist - dort entstehn meist neue Ideen und Storys. Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut. Für neue Geschichten und Recherchen, hier die Bankverbindung, IBAN: DE58 6149 0150 1124 9940 09 VR-Bank Ostalb, Schwäbisch Gmünd. Verwendungszweck: Zuwendung

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