Jamie Vardy (Beitragsbild und Fernsehen-Screenshot) war schon immer eine Tormaschine, teils sogar mit einer Fußfessel, die er wegen einer Schlägerei mit Folgen, auferlegt bekam…
Doch wie kam ein Spieler wie Jamie Vardy letztendlich so weit nach oben, und konnte sogar mit seinen Toren die Jahrhundert-Story mit dem FC Leicester City mitgestalten. War es, oder ist es auch heute nur Glück, wenn es so ein Spieler von den unteren Ligen doch ganz nach oben schafft? Es gehört schon mehr dazu, aber eben auch die richtigen Leute, Experten und Trainer, die sich die Mühe machen, sich mit unkonventionellen Spielern und Lebensläufen auseinander zu setzen. Jeder Scout und jeder Club sucht nach Phänomenen, vielleicht manchmal auch an falschen Orten, weil man sich nur dort bewegt, wo man den großen Fußball vermutet. Hier ein kurzer Situationsbericht.
Was, ein Spieler, der einst wegen seiner Körpergröße mit 15 beim Proficlub Scheffield Wednesday ausgemustert, und dem später eine elektronische Fußfessel wegen einer Massenschlägerei am Rande eines Fußballspiels verpasst wurde, sollte doch noch Profi werden? Dazu noch in schwierigen Verhältnissen einer Arbeiterfamilie aufgewachsen? Aussortiert, weil für zu schwach befunden, arbeitete Jamie Vardy erst einmal ein Jahr in einer Kohlefaserfabrik. Ein Jahr war mit dem Fußball quasi Pause, ehe Jamie Vardy beim Amateurverein Stocksbridge Park Steels anheuerte und auf Torejagd ging.
Dabei musste er anfangs auch während der Spiele seine Fußfessel tragen und Auswärtsspiele teilweise früher verlassen, um seine Ausgangssperre einzuhalten. (Wikipedia-Auszug)
Beachtliche 66 Tore in 107 Pflichtspielen erzielte Vardy dort. Es ging weiter, immer mit einer sagenhaften Torquote. Es muss erwähnt werden, dass Vardy auch für den siebtklassigen FC Halifax Town spielte, dort 27 Treffer zur Meisterschaft beisteuerte, ehe es wieder nach oben in die 5. Liga (etwa wie in Deutschland Oberliga- oder Verbandsliga-Niveau) zu Fleetwood Town ging. Wieder wurde er Meister und Torschützenkönig mit 31 Toren in 36 Ligaspielen in der National League. Klar, kann man sagen, auf Tore und Schützen wird man schnell aufmerksam, aber auch auf starke Defensivkünstler, die Tore verhindern.
Erst 2012 wechselte Vardy zum FC Leicester City – da hörte man in Deutschland rein gar nichts von Vardy, aber national, und speziell rund um Leicester beobachtete man Vardys Wirken. Seine Torausbeute wurde etwas weniger, in einer Saison vier in der anderen fünf Treffer, aber auch bei weniger Spieleinsätzen. Erst in der zweiten Saison nach dem Aufstieg in die Premier League verdoppelte er seine Torausbeute stetig. Ab 2015 traf Vardy wirklich regelmäßig, als habe er sich oben akklimatisiert, eine zeitlang netzte er fast in jedem Spiel ein, und stellte auch den Rekord vom ehemaligen ManU-Stürmer Ruud van Nistelrooy ein, der einmal in zehn aufeinander folgenden Spielen getroffen hatte – Vardy in elf. Der Rest ist bekannt, in einer fabelhaften Saison mit Trainer Ranieri, wurde der FC Leicester ganz überraschend Premier League-Champion und Vardy sogar Fußballer des Jahres und: Nationalspieler.
Aber, so ist sich der Entdecker Jamie Vardys, John Morris, sicher, es komme nicht nur aufs Toreschießen an. Es mag vielleicht paradox klingen, aber es ist gleichzeitig ein Rat auch an andere Spieler in unteren Klassen.
Morris selber glaubt, und wir sind mit ihm einer Meinung (weil wir diese oft draußen bei Kollegen vertreten), der non-league-football, also die unteren Amateurligen, sei mit sehr talentierten Spielern gefüllt, die nur entdeckt und gefördert werden müssten, um den Profifußball zu erobern.
Aber, fügt Morris an, es gäbe ganz bestimmte Zutaten, gar kein Geheimrezept, um es ganz oben zu packen:
geistige, körperliche, also physische, sowie taktische und technische Qualitäten.
Natürlich sagt Morris selbst, Vardys Geschichte klingt wie eine absolute Ausnahme, aber Vardys Förderer und Entdecker sagt auch, es gibt zahlreiche gute Spieler und Stürmer, die oft gut spielen, fokussiert sind, immer Tore machen, ihrer Spielweise und ihrem Level treu bleiben. Und keiner findet es wichtig, sich ihrer anzunehmen, warum nur?, fragt John Morris eher rhetorisch.
Es war mit Vardy auch offensichtlich, keiner der ihn so richtig gut fand, eben weil die Liga zu niedrig war. Aber, so Morris in einem Interview mit BBC.com, beobachten sie Vardy, egal ob in einem Liga-Match oder in der Champions-League gegen Atletico Madrid, er werde immer das gleiche an Einsatz und Power geben.
Viele Trainer und Scouts ließen sich von einer Maxime leiten, „Jung, jung, jung“, alles was bis 23 Jahre alt ist, sei okay, alle Spieler drüber, wären zu alt! Abermals argumentiert Morris, viele Spieler würden später reifen, und noch besser werden, sofern ihr Arbeitseifer – und -einsatz der gleiche bliebe. Klar, weiter unten wird vielleicht seltener trainiert, aber, und diese Meinung vertreten wir, und sagen es auch den Spielern, „ihr müsst dann umso mehr trainieren, um fit zu bleiben, euren Leistungsstand zu halten.“ (Anm. d. Autors, interessant auch neulich das Gespräch mit den italo-argentinischen Brüdern Max und Giuliano F., sie sehen sich als Profis, und trainierten dementsprechend auch in Italien immer mehr als das Team, denn drei Mal Training die Woche sei schlicht zu wenig, meinten sie, in der 5. Liga)
Die englischen Amateurligen (nur die englischen?) seien voll an Talenten, die warum auch immer, einst bei großen Clubs in den Akademien und Juniorenabteilungen aussortiert wurden. Viele nahmen dann eine kurze Pause, oder traten kürzer, um ein Studium zu absolvieren, oder wie die zwei folgenden Spieler, Luke Benbow und Daniel Maguire „haben beide mit der großen Zeit geflirtet“.
In diesen Tagen, so Morris auf BBC.com, spielen sie einen „echten Nicht-Liga-Stil“, gehen einer ehrlichen Arbeit nach, als Bauarbeiter und Klempner.
Stourbridge Stürmer Benbow, ein ehemaliger „Birmingham-City-Trainee“ und Absolvent der bekannten „Glenn-Hoddle-Football-Academy“,schoss in der laufenden Saison 32 Liga-Tore. Voller Stolz sagt der 25-jährige Spieler selbst:
„Es sind die meisten Tore, die ich geschossen habe.“
Der andere, Daniel Maguire, spielte 30 Mal in der Liga für Blyth Spartans, was nach einem Hobbyteam pur klingt.
Der 24-Jährige machte aber Schlagzeilen, als ihm ein Hattrick in 11 Minuten gelang – in der Saison 2014/15. Maguire weckte die Aufmerksamkeit von Halifax Town. Er schloss sich schließlich dem damaligen National League-Team an. Aber, es ist auch stressig, wenn man in einem gutlaufenden Sanitär-Geschäft arbeitet nebenbei. Es war eine halbe Weltreise nach Halifax, und täglich um 7 Uhr raus zu müssen, dann bis spät zu trainieren, sei schon viel Einsatz. Letztendlich spielt Maguire wieder bei Blyth, und kümmert sich sehr gern um den großen Auftrag im Klempner-Geschäft. Hier verdiene er dann doch auch mehr zusammengerechnet.
Deshalb, Ausbildung und Studium sind immer Pflicht – und müssen keine Auszeit im eigentlichen Sinne bedeuten.
An die Scouts und Trainer sei mal eine offene Frage erlaubt, was glauben sie (wir allgemein), was mit den zig Talenten passiert, die irgendwann, (jährlich werden wir damit konfrontiert auf checkfussballberater.de), in den Juniorenteams der Proficlubs aussortiert wurden? Vielleicht landen diese mit viel Glück und starken Begleitern dann doch noch in einer gehobenen Liga des Amateurbetriebs? Und wenn nicht? Viele Talente ziehen sich in ihr Schneckenhaus zurück, und geben ihren Traum auf. Glauben Sie uns, manchmal lohnen sich Reisen in die Provinz, halten Sie sich ein intaktes Scouting-Netzwerk mit integren Personen warm… der nächste Vardy will (nicht nur in England) wieder-entdeckt werden!
p. s.: Manchester City ist wohl darauf über gegangen, einmal jährlich ein Trainings-Camp für außerordentliche Talente aus den unteren Ligen anzubieten, um diese nochmals zu „scouten“.