Der böhmische Ernst Happel
Dieser Kettenraucher spricht nur das Nötigste: Zdenek Zeman war Fußballtrainer bei der AS Roma, und ist ein Philosoph, Exzentriker, und Bohemien. Und er liebt den Offensivfußball wie kein anderer.
Seit drei Wochen nun hat Zeman das Ruder als Coach des FC Lugano im malerischen Tessin übernommen. Da ist dem „Presidente“ und Architekten des FC Lugano, Angelo Renzetti, ein wahrer Coup gelungen. Denn, wer ist schon so fußballverrückt und tollkühn, den 68-jährigen Zdenek Zeman zu verpflichten – und dann sagte dieser auch noch zu.
Das Paket stimmte wohl, und Zeman gefiel es, dass jemand so insistierte und nicht locker ließ.
In Italien wird Zeman entweder geliebt oder gehasst. Zu oft legte er seine Finger in die Wunden des italienischen Fußballs. (Ob Doping-Vorwürfe bei Juventus, oder Kritik an der Korruption und Manipulation unter den Herren Moggi und Giraudo – Fakt ist, im Herzen war Zeman immer ein Juventus-Fan)
Aber Fakt ist auch, dass Zeman überall (s)einen attraktiven Fußball spielen ließ. Dass Zeman eine ganz eigene Sichtweise auf die Spielerberater hat, versteht sich fast von selbst.
Ich berichtete bei RUND-Magazin, sowie auf diesem Blog bereits über den exzentrischen Coach, dessen Biographie ich seit 1992 verfolge.
http://rund-magazin.de/news/1111/26/Zeman-in-Rom/
Ich bin mir sicher, gibt man Zeman auch in Lugano Zeit, wird der ganze Club, aber vor allem auch die Juniorenabteilung sehr davon profitieren.
In seiner Laufbahn brachte Zeman schon etliche No-Names unter den Talenten heraus, wie zuletzt Verratti, Immobile oder Insigne.
Oder viel früher einen Beppe Signori, den erst keiner wollte. Zeman hat ein Auge für Talente und ließ bisher überall (s)einen Offensivfußball spielen.
Egal, ob bei Foggia, wo der Begriff „Zemanlandia“ geprägt wurde, oder bei Lazio Rom (immerhin den Vize-Titel erreicht) und der AS Roma, aber besonders vor drei Jahren in Pescara(mit einem jungen Team Aufstieg in die SerieA), spielten seine Teams vor allem für die Zuschauer. Attraktiv und mutig war die Spielweise immer, Pescara stieg auf, und selbst mit Cagliari (wo Zeman weit vor dem Abstieg selbst das Handtuch warf) erstürmte seine Mannschaft fremde Plätze, u. a. mit einem 4:1 bei Inter Mailand.
Interessant ist auch das TV-Interview auf RSI in der Schweiz (Schweizerisch-italienisches Fernsehen), gleich nach Ankunft Zemans in Lugano.
„La Valigia di Zeman“
http://www.rsi.ch/la2/programmi/sport/sport-non-stop/la-valigia/La-valigia-di-Zeman-5632777.html
Immer wieder polemisch(?) auch, wie Zeman an anderer Stelle vor Jahren stets seine Meinung kund tat, in Bezug auf Spielerberatern im Fußball:
„Die Spielerberater nehmen leider immer mehr Platz im Fußball ein, um den Fußball nach dem Fußball hinter den Kulissen zu beeinflussen. Ich habe bisher immer meinen Augen und Analysen vertraut. Ich habe immer versucht, Talente, die mir auffielen, über Jahre im Auge zu behalten, und gegebenenfalls zum Club zu holen.“
Zeman sieht die Berater sehr kritisch, und das seit Jahren. Zeman zu den Storys brasilianischer Kicker, „die werden nach Italien und Resteuropa transferiert, oft mit fragwürdigem Talent, und wechseln innerhalb von zwei Jahren drei Mal die Clubs, oder werden wie eine Ware veräußert…“.
Noch ein Vergleich. Früher, so Zeman, saß der Clubmanager mit dem Spieler, und höchstens dessen Vater in einem Raum. Heute kommen sehr junge Spieler bereits mit einem Tross von drei bis vier Leuten zu den Gesprächen.
Außerdem, all die Provisionen, die bereits im Juniorenbereich an „fragwürdige Berater“ bezahlt würden, fehlen „ganz klar im Jugendbereich“, schließt Zeman.
Ohne Koketterie beschreibt sich Zeman selbst als „antik“, und wird von vielen ebenso als „altmodisch“ beschrieben. Wer sagt aber, dass Zemans Wertekanon in unserer Zeit evtl. nicht doch gefragter ist denn je?
Zuverlässigkeit, Verbindlichkeit, Engagement und Disziplin, so in etwa kann man Zdenek Zeman und dessen Anforderungen beschreiben. Spieler, die mit ihm arbeiten durften, schwärmen trotz des „harten Trainings“ bis heute vom Tschechen.
Nur eines, das weiß Zeman selbst, ist ein Laster: Sein Nikotinverbrauch. Das Rauchen, so Zeman, werde er sich nicht mehr abgewöhnen. Und das, obwohl sein Vater ein anerkannter Mediziner war und seine Schwester in Tschechien immer noch als Ärztin praktiziert…
Ausschnitt aus der Prager-Zeitung
Autor, G.Deriu