Biografie, Interview mit Pavel Kuka

„Ich bin nicht der Matthias Sammer von Pilsen“
Es ist der zweite Titel nach 2011: Viktoria Pilsen ist am Wochenende erneut tschechischer Meister geworden. Für RUND nahm sich Sportdirektor Kuka während der Feierlichkeiten Zeit für ein kurzes Interview. Das Gespräch führte Giovanni Deriu.

 

 

Pavel Kuka

 

Über weite Strecken der Saison lieferten sich der FC Viktoria Pilsen und der traditionsreiche Hauptstadtklub Sparta Prag in der tschechischen Gambrinus-Liga ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Zwei Punkte Vorsprung hatte die Viktoria vor dem letzten Spieltag. Dabei blieb es auch, weil FC Viktoria Pilsen beim Absteiger FC Hradec Kràlové schon nach einer Minute durch Vladimir Darida in Führung ging – 3:0 für die Pilsener stand es am Ende. Als die Elf von Trainer Pavel Vrba dann kurz vor Mitternacht endlich in Pilsen ankam, wurde sie gefeiert. Mittendrin auch der noch recht frische Sportdirektor, Pavel Kuka (44), der den FC Viktoria seit Januar unterstützt. Pavel Kuka, 44, wurde mit Tschechien Vize-Europameister 1996, und gewann mit dem 1. FC Kaiserslautern 1996 den DFB-Pokal und zwei Jahre später die Deutsche Meisterschaft. Für RUND nahm sich Sportdirektor Kuka während der Feierlichkeiten Zeit für ein kurzes Interview. Das Gespräch führte Giovanni Deriu.

RUND: Herr Kuka, es ist sehr laut bei Ihnen. Wo sind Sie gerade?
Pavel Kuka: Guten Tag, wir sind gerade am Stadion von FC Viktoria, an der Geschäftsstelle, wo die Feierlichkeiten zur Meisterschaft heute weiter gehen.
RUND: Gratulation zur zweiten Meisterschaft in der Gambrinus-Liga, hatten Sie in den vergangenen Wochen jemals Zweifel, dass es klappen würde?
Pavel Kuka: Naja, wir haben immer an unser Team geglaubt, und wir hatten ja eigentlich immer einen kleinen Vorsprung. Klar, die zwei Niederlagen zuletzt gegen den Meister der vergangenen Saison, Slovan Liberec oder Slavia Prag, machten die Meisterschaft noch einmal spannend, aber auch Sparta zeigte sich eben nicht souveräner als wir. Wir hatten immer Vertrauen in unsere Mannschaft!
RUND: Sie sind ja noch nicht so lange beim FC Viktoria, haben aber schon die wichtigen Spiele in der Europa-League miterlebt, wie hoch ist Ihr Anteil an der Meisterschaft?
Pavel Kuka: Oh, das müssen andere Leute beurteilen, mit denen ich täglich zusammen arbeite – ich kann nur sagen, dass es mir sehr viel Spaß macht, und dass ich den Verein FC Viktoria sehr schätze. Ich genieße natürlich den Moment.

RUND: Haben Sie als Sportdirektor möglicherweise die selbe Funktion wie Matthias Sammer beim FC Bayern inne? Quasi als Bindeglied des Teams zum Vorstand sowie als Motivator und Mahner?
Pavel Kuka: (kurze Pause, ein kleiner Seufzer) Nein, ich bin nicht mit Matthias Sammer und dessen Funktion bei Bayern zu vergleichen. Ich bin noch dabei zu lernen. Ich lerne jeden Tag dazu in meiner noch sehr jungen Funktion. Klar, ich bringe auch meine Erfahrungen mit ein, aber auf dem Platz stehen immer die Spieler, letzendlich haben es immer die Spieler in der Hand – oder auf dem Fuß – was passiert. Wir genießen jetzt unseren Erfolg, das Team und alle die dazu gehören.

RUND: Was sind Ihre weiteren Ziele mit der Viktoria?
Pavel Kuka: Natürlich da weitermachen und anknüpfen, was die Pilsener in den vergangenen drei Jahren aufgebaut mit mitgemacht haben: Meisterschaft, Champions-League und Teilnahme am Uefa- bzw. Europa-League-Pokal.
RUND: Ist die Viktoria schon wieder europatauglich?
Pavel Kuka: Wir werden uns natürlich verstärken müssen im Rahmen unserer Möglichkeiten. Wir haben schnell gelernt, dass Erfolg in Europa auch eine Frage des Geldes ist: Hier zum Beispiel die Viktoria mit einem Budget von sechs bis sieben Millionen Euro, dort unser letzter Gegner Fenerbahce Instanbul mit einem Etat von 180 Millionen Euro.
RUND: Sind bei der Meisterschaftsfeier auch ehemalige Spieler dabei?
Pavel Kuka: Also Pavel Nedved (Scout und Delegierter bei Juventus Turin, Anm. der Red.) wird hier sein, und zu ihm halte ich mit FC Viktoria auch den Kontakt. Zudem kooperieren wir manchmal, was die Ausbildung von Junioren betrifft.
RUND: Und jetzt nach diesem Erfolg und einer intensiven Saison wartet der wohlverdiente Urlaub?
Pavel Kuka: Jetzt geht es mit Nedved erst einmal zum Abschiedsspiel von Michael Ballack nach Leipzig. Danach laufen schon die Planungen für die Qualifikationsspiele zur Champions League, die Mitte Juli schon beginnen. Ich haben keinen Urlaub, aber das ist egal. Die Arbeit macht viel Spaß.

Biografie, Trainer und Talentsichter Zeman

ITALIEN
Der böhmische Ernst Happel

Dieser Kettenraucher spricht nur das Nötigste: Zdenek Zeman ist Fußballtrainer bei der AS Roma, aber auch Philosoph, Exzentriker, und Bohemien. Und er liebt den Offensivfußball. Von Giovanni Deriu

 

 

Zdenek ZemanKritiker des italienischen Fußballs: Zdenek Zeman, Ex-Trainer der AS Roma

Als der italienische Fußball im Sommer wieder sein skandalöses Gesicht zeigte, sorgte ein tschechische Fußballtrainer und Intimus des italienischen Calcio für Schlagzeilen. War es doch Exzentriker Zdenek Zeman gewesen, der vor bald 15 Jahren öffentlich Vermutungen über systematisches Doping in der Serie A angestellt hatte.  Der Tscheche wurde zur persona non grata – und gilt bei einigen immer noch als Nestbeschmutzer. Dem inzwischen 65-jährigen scheint das nichts auszumachen: „Viel scheint der italienische Fußball aus der Vergangenheit nicht gelernt zu haben …“, sagte er in der „Gazzetta dello Sport“. Und im europäischen Wettbewerb schnitten die italienischen Vereine außerdem noch „schlecht ab“.

Zdenek Zeman kann sich als Kritiker aufspielen, seine Fan-Gemeinde hat er sicher. In der abgelaufenen Saison stieg er mit dem Serie-B-Verein Pescara Calcio in die Serie A auf. Pescara setzte mit 83 Punkten aus 42 Spielen und 90 Treffern auf Offensivfußball. Zudem, und das macht den „Grandsignore“, der in der Regel sehr leise und zurückhaltend ist, besonders stolz, wurden fünf Spieler Pescaras in die italienische U21-Nationalelf berufen.  In der Hafenstadt östlich von Rom brach selten erlebte Fußballbegeisterung aus.

Zeman hatte in Pescara bereits in seinem ersten Jahr den Dreh raus, und fand die richtige Mischung. Viele fühlten sich wieder voller Nostalgie an das „Magische Team“ des US Foggia erinnert – bis heute schwärmen Fans in Italien von Zemans  „Foggia dei miracoli“ (1989- 1994). Damals kaum aufgestiegen, schafften die Foggianer unter Zemans Regie mit einem unkonventionellen offensiven 4-3-3-System dreimal hintereinander den Klassenerhalt, und klopften gar an Europas Tür. Auch Sacchis Milan und Juventus Turin wurde vorgeführt, und alle attestieren sie dem Italo-Böhmen Zeman bis heute ein „Auge für Talente“. Zu vergleichen wäre das Foggia von damals mit Trainer Finkes SC Freiburg in der Bundesliga vor Jahren.

Vom Typ her ist der Böhme Zeman eine Mischung aus Philosoph, Exzentriker, und Boheme. Von der Art ähnelt der Tscheche oft Ernst Happel. Zdenek Zeman, der gelernte Sportpädagoge (er studierte an der Uni von Palermo und schloss mit der höchstmöglichen Punktzahl ab), ist auch noch Kettenraucher. Von der Fluppe mag er nicht lassen, wie er schon mal in einer Fernsehtalkrunde feststellte. Deshalb, so der wortkarge Trainer besuche er auch nicht so gern das Kino – dort könne man ja „schließlich nicht rauchen“.

Zdenek Zeman, der nach der Doping-Affäre erst einmal keinen Verein in Italien fand, wechselte als Coach zu Fenerbahce Istanbul, wo er sich aber nie richtig wohl fühlte – genauso wenig beim späteren Abstecher zu Roter Stern Belgrad. Zdenek Zeman ist vom Italienischen Fußball nicht mehr wegzudenken. Ja, obwohl tschechischer Herkunft, und ein leichter Akzent lässt sich in seinem perfekten Italienisch nicht unterdrücken, nahm Zeman vor einigen Jahren den italienischen Pass an. Seit dem Prager Frühling, als die Russen einmarschierten, und „klein Zdenek“ seine Sommerferien beim Onkel  Čestmír Vycpálek (früher ein bekannter Trainer in Italien) auf Sizilien verbrachte, lebt und liebt Zeman Italien. Und nun also die AS Roma, die den Vertrag mit Luis Enrique aus Barcas Schule nicht verlängern wollte. Eine Episode voller Missverständnisse und ohne Geduld für den Spanier.

Zdenek Zeman kennt das Umfeld der Ewigen Stadt wie kein anderer – Der gebürtige Böhme trainierte bereits beide Hauptstadt-Vereine, Lazio und die Roma. Die „Laziali“ führte er zur Vize-Meisterschaft (1994), und mit „la Roma“ erreichte er Platz vier und fünf. Spielen ließ Zeman bis heute immer attraktiv, dafür sich aber wenig von Präsidenten aufdiktieren.
Spieler lieben und respektieren ihn, fürchten aber seine Trainingseinheiten – besonders in der Saisonvorbereitung, wenn Konditionsläufe anstehen – meist fährt Zeman auf dem Mountainbike nebenher.

Überhaupt, spricht Zeman nur das Notwendigste (wieder Happel like), Talkshows meidet er – und wenn sich der tschechische Italiener doch mal zu einem Interview in die Sendung überreden lässt, dann kommen meist kurze Sätze voller Ironie. Zeman sitzt der Schalk im Nacken. So erklärte Moderator Fabio Fazio, in einer Show laufe es so, der Moderator fragt, der Gast antwortet. Zeman darauf: „Wenn ich die Antwort weiß…“. Der Moderator Fazio stellte ihm die DVD vor, „Die Rückkehr von Zeman“, ein Film über den US Foggia zu Zemans Zeiten. Ob sich der Trainer denn im Film gefallen habe? Zeman trocken: „Ich weiß, dass der Film existiert, aber ich habe ihn nicht gesehen. Für mich bleibt vieles im Dunkeln“. Fazio perplex, er wollte doch das 20-Minuten-Interview auf den Film aufbauen. Was soll ich tun, stöhnte er theatralisch. Abermals Zeman: „Ja normalerweise entstehen solche Filme nach der Karriere, wenn einer nicht mehr da ist – ich bin aber noch da!“ Besser kann man es nicht auf den Punkt bringen. Zdenek Zeman nahm das Angebot der AS Roma mit der tiefen Einsicht an: „Es ist wohl die letzte Chance in meiner langen Karriere, einen großen Club in einer wichtigen Stadt zu trainieren …“, sowie einen in die Jahre gekommenen Star wie Francesco Totti. Und das klingt dann fast nach einer Bitte um Verständnis an die Fans von Aufsteiger Pescara – aber auch nach einer versteckten Warnung an Totti.

Giovanni Deriu, Redakteur und freier Journalist, zudem DaF-Dozent, und reist regelmäßig nach Italien und Tschechien. Zemans Karriere und Biographie beobachtet Deriu seit 1992.

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Zwischen Seriosität und Märchengeschichten

Buch-Rezension: Die Paten der Liga
Zwischen Lügen und Seriosität – Spielerberater und ihre Geschäfte

BILD-Reporter Kai Psotta hat sich mit seinem Buch (Die Paten der Liga; Piper-Verlag) unter Beratern, oder solchen, die sich selbst so nennen, bestimmt keine Freunde gemacht. Das war bestimmt auch nicht sein Anliegen – der Sportjournalist untersuchte vielmehr eine Branche, die immer stärker in Verruf kommt, nach Ablösesummen und Vermittlungsprovisionen zu gieren, ohne dabei wirklich die betreuten Spieler im Auge zu haben – geschweige denn, zu betreuen oder ehrlich zu beraten! Denn, ein Gewinn oder eine satte Vermittlungsgebühr winkt oft schon bei eher mittelmäßigen Drittligaspielern.

Es will etwas heißen, so im Buch von Kai Psotta, wenn selbst der angesehene Christoph Schickhardt, Anwalt und Sportrechtler aus Ludwigsburg, nichts „schönreden“ mag: „Es tummeln sich in diesem Geschäft Scharlatane der schlimmsten Kategorie, aber auch seriöse Profis.“ Nur 25 Prozent würden allerdings gut beraten. Andere 40 Prozent eher schlecht – und der Rest ist unseriös. Der ehemalige Profi Thomas Kroth, zudem Kenner der japanischen Fußballszene fasst es so zusammen, die Branche sei „nicht per se schmutzig, aber im Einzelfall versaut.“ Wie überall, wo es um viel Geld – und Show gehe. Lügen, Neid und Missgunst, kämen in der Berater-Szene öfter zum Vorschein als in anderen Berufszweigen. Zwischen Seriosität und Märchengeschichten weiterlesen