Fabio Cannavaro, ehemals Topverteidiger und Weltmeister 2006 mit Italien in Deutschland, Europas und Weltfußballer des Jahres, sieht seine Ex-Kameraden und Freunde „Gigi“ Buffon und Andrea Pirlo als prädestinierte Funktionäre und Manager im italienischen Fußballverband!
Cannavaro muss es wissen, kennt der gebürtige Neapolitaner den Fußball wie kaum ein anderer – Fabio Cannavaro gab dem Corriere della Sera ein interessantes Interview, zur Lage des italienischen Fußballs. Cannavaro selbst, einst Marcelo Lippis Lieblingsspieler und Assistent als Trainer, wird neuer Trainer des südchinesischen Superclubs, Guangzhou Evergrande. Davor trainierte Cannavaro, der auch für Real Madrid verteidigte, den FC Tianjin. Den italienischen Fußball verfolgt und kommentiert er, wann immer es geht. Und am Freitag treffen seine Ex-Clubs, Juve und der SSC Neapel, im Spitzenspiel aufeinander. „Fabios“ Meinung zählt viel in Italien.
„Wir scheinen noch nicht richtig realisiert zu haben, was wirklich passiert ist…“, eröffnet Cannavaro das Gespräch – Ok, der Trainer Ventura ist gekündigt, ebenso ist der „Präsident Tavecchio weg“, aber es sei eine gespenstische Ruhe eingekehrt. Es wäre jetzt der richtige Moment, so der ehemalige Weltklasse-Verteidiger, dass jemand sein Gesicht zeigt, und neue Regeln und Gesetze vorgibt.
Und der Umschwung kann nur aus folgender Perspektive starten, gibt der Ex-Verteidiger vor: „Wir haben vier Weltmeistertitel gewonnen. Wir werden im Weltfußball respektiert. Zu oft jedoch schenken wir uns selbst zu wenig Aufmerksamkeit und schauen stattdessen immer auf andere. Stattdessen waren wir über Jahre selbst ein Bezugspunkt für andere im Fußball. Meiner Meinung nach herrscht ein zu großer Ausländer-Hype bei uns, auf dem Sportfeld wie außerhalb…“, hält Cannavaro fest. Nein, ein Rassist sei er keineswegs, aber es spielen zu viele mittelklassige Spieler in der Serie A und B. Seiner Meinung nach gäbe es „leider keine Tottis, Del Pieros oder Baggios“ mehr.
Und Lorenzo Insigne muss sich international erst einmal beweisen, der sei aber auf einem guten Weg, und konnte bei Ventura gegen Schweden gar nicht einschreiten. Dann analysiert Fabio Cannavaro knallhart: „Den Weltmeistertitel 2006 gewonnen zu haben, hat uns eher schlecht getan…“, und Cannavaro erklärt auch warum: „Dieser Erfolg hat uns geblendet, und wir haben aufgehört, den guten Weg weiter zu gehen, ihn auszubauen. Wir waren zu selbstsicher.“
Man müsse, wenn schon, ein bisschen den „deutschen Fußball“ analysieren, der einst auch in einer Krise steckte. Man müsse wieder „die grundlegenen Dinge lehren – Technik, Koordination und das Spiel Mann gegen Mann.“
Cannavaro: „Bei uns sah ich zuletzt Trainer, die mit ihrer Angst und schnell einstudierten Viererkette, die jungen Spieler verunsicherten. Abwehrspieler, die den Ball schlecht und ungenau spielten, oder die nicht einmal auf einem Fuß hüpfen können…“. Man hört es aus den Zeilen, wie Cannavaro leidet. Es müssen Neuerungen in der Trainingslehre her, so Cannavaro.
Carlo Ancelotti? Der wäre gegebenenfalls der richtige Mann, aber zuerst müssten neue Regelungen greifen. In der Methodik und Trainingslehre bei den Junioren, und genauso in den Meisterschaften. Wo sind denn all diese Spieler, fragt Cannavaro, um die 42 Teams der Serie A und B zu füllen. „Zu viel Mittelmaß und zu viele ausländische Spieler…“
Ob er denn nicht C. T. (Commissario Tecnico), Nationaltrainer werden wolle?
Fabio Cannavaro: „Ich habe erst neulich einen Fünfjahres-Vertrag in China unterschrieben. In China kann ich noch wachsen, und es gibt allgemein noch stärkere Trainer als ich.“ Zeigt sich Cannavaro sehr selbstkritisch.
Wir haben in Italien so viele gute und fähige Ex-Spieler, wie Maldini oder Baggio, „aber wir scheinen sie zu verstecken!“ Für die Zukunft im italienischen Fußballverband, sieht Cannavaro Leute und Typen wie Buffon und Pirlo am Steuer. Sie haben Visionen und könnten auch am Schreibtisch arbeiten.
Juve gegen den SSC Neapel: „Für SSC-Trainer Sarri ist es eine einmalige Gelegenheit, wenn sie es schaffen, Juve auf 7 Punkte Abstand zu halten. Aber es sind nicht nur diese beiden Teams im Rennen. Inter Mailand ist dahinter und profitiert davon, keinen europäischen Wettbewerb spielen zu müssen. So wie einst bei Antonio Conte (jetzt Chelseas Coach), als er in seiner ersten Saison mit Juve trainierte…“
Insgesamt bliebe Juve zwar Favorit, aber Sarri mit Neapel ist seit drei Jahren eingespielt, „Der SSC Neapel spielt einen wunderbaren Fußball, aber es wird schwer.“ Wer weiß, ob Cannavaro die fünf Jahre in China wirklich durchzieht, wenn der italienische Fußball rufen würde…